Praktikumsbericht

Begegnungen ermöglichen, wo der Konflikt spaltet

Praktikumsbericht von Pauline bei Wi'am in Bethlehem

  Das Büro von Wi’Am befindet sich in einem großen, hellen Steinhaus mit vielen Treppen und kühlen Zimmern. Im großen Garten dahinter wachsen Zitronenbäume, Minze und Thymian. Es gibt einen Kinderspielplatz und gepflasterte Plätze mit Überdachung, wenn es im Sommer heiß wird. Es ist viel Platz für Versammlungen, Kinder, Familien und Gäste. Schaut man sich um, ist das nicht selbstverständlich. Rechts grenzt der Garten an die Mauer, hinten läuft er auf das 1948 errichtete Flüchtlingscamp Aida zu, wo es oft zu Zusammenstößen zwischen israelischen Soldaten und Anwohnern kommt. Vom Checkpoint 300, der Ostjerusalem von Bethlehem und Israel von Palästina trennt, liegt Wi’Am nur 10 Minuten entfernt. Drei Monate lang nahm ich als Praktikantin in diesem spannungsreichen Kontext an der Arbeit von Wi’am teil. Wi’Am ist einerseits eine NGO, die sich demokratischen Grundwerten und Menschenrechten verschreibt. Sie bietet politische Bildung, Workshops und Treffen in Bethlehem und vielen anderen Städten in Palästina an. Andererseits ist es ein Gemeindezentrum, in dem Beziehungen heilen sollen. Als Treffpunkt und Anlaufstelle für Kinder, Jugendliche und Frauen an einem Ort, wo Beziehungen stark vom langanhaltenden Konflikt, wirtschaftlichen Problemen und traumatischen Erinnerungen belastet werden, ist Wi’Am tief in der Gemeinde verwurzelt. Sulha, eine traditionelle arabische Form der Mediation, bildet den Kernpunkt der Beziehungsarbeit. Wi’Am praktizieren sie in allen möglichen Konflikten, vor allem innerhalb und zwischen Familien. Da diese Arbeit im Privaten stattfindet, konnte ich leider nicht daran teilnehmen. Dafür war ich bei Jugendtreffen dabei, die alle zwei Wochen stattfinden, und bei der Weihnachtsfeier für die Kinder. Neben lokalen und familiären Beziehungen engagiert sich Wi’Am für internationale Begegnungen. Nach Palästina zu reisen ist mit Ängsten, Vorurteilen und realen Einschränkungen,  erschwert. In dieser isolierten Situation ist es von großer Wichtigkeit, sich zu vernetzen. Wi’am sind in Kontakt mit internationalen NGOs, Universitäten und Kirchen. In meiner Zeit als Praktikantin besuchten uns verschiedene Gruppen: Studenten, Kirchengruppen und manchmal Touristen, die auf der Suche nach Banksy-Graffitis bei uns hineinstolperten. Dabei ging es darum, mit Vorträgen und Dialogrunden aus der palästinensischen Perspektive zu berichten. Die Mitarbeiter legen Karten, Statistiken und Fakten vor, informieren zu Themen wie der Wasserversorgung, Gebietsverteilung, und der Einschränkung der Bewegungsfreiheit. Sie erzählen aber auch persönliche Geschichten, von Verlust, Angst und Hoffnungslosigkeit. Zusätzlich machen Touren durch das Umland die alltäglichen Einschränkungen für die palästinensische Bevölkerung begreifbar. Ich hatte die Möglichkeit, den Tourguide Usama auf das Weingut Cremisan und nach Hebron zu begleiten. Darüber hinaus arbeitet Wi’Am mit anderen, vor allem kirchlichen NGOs in Palästina und Israel zusammen. Ich konnte in Jerusalem an einer Veranstaltung von EAPPI teilnehmen, einer kirchlichen Initiative, in der internationale Freiwillige als Begleiter und Beobachter in palästinensischen Orten arbeiten. Ein weiterer Fokus ist der Einsatz für Frauenrechte. In diesem Rahmen war es spannend für mich, einen Workshop in Dura zum Thema Häusliche Gewalt besuchen. In der konservativen Gegend um Hebron kann es heikel sein, derartige sensible Themen anzusprechen. Umso spannender war es zu sehen, wie die rund dreißig - weiblichen und männlichen - Teilnehmenden offen diskutierten und formulierten, welche Veränderungen sie sich wünschen. Derartige Workshops bieten einen Raum, Geschlechterrollen zu diskutieren, wo das sonst nicht möglich ist. Als Praktikantin schrieb ich Texte für die Website, übersetzte die Broschüre von Wi’Am und half dabei, Gäste zu empfangen und Workshops vorzubereiten. Zusätzlich war ich (auf eine Idee des Leiters von Wi’Am) mit meiner Forschung über Salafismus in Deutschland/Europa beschäftigt. In einer abschließenden Präsentation stellte ich meine Ergebnisse vor und es entstand eine lebhafte Diskussion. Tatsächlich bestand meine Zeit aber hauptsächlich darin, in den Veranstaltungen und Gesprächen mit Gästen und Mitarbeitern zuzuhören und zu lernen. Grundsätzlich war ich in meiner Zeiteinteilung frei, und die Planung funktionierte flexibel. Leider fiel es mir schwer, mich in dem Maße in Arbeitsabläufe einzubringen, wie ich es mir gewünscht hätte. Das lag teilweise daran, dass es oft keine definierten Aufgaben oder Ziele für Praktikanten gab, möglicherweise aber auch daran, dass das Arbeitsleben anders funktioniert, als ich es ansonsten gewohnt bin. Bei der Arbeit knüpfte ich schnell Kontakte zu den Mitarbeitern. Wir aßen oft zusammen zu Mittag, und sie nahmen sich Zeit für Tee und persönliche Gespräche. Da ich in einem Wohnkomplex mit der Familie von Zoughbi (Wi’Ams Leiter) wohnte, fand ich schnell Anschluss an Leute aus Bethlehem und Freiwillige aus aller Welt. Die Familie hieß mich herzlich willkommen und ich lernte viele Menschen bei Spieleabenden, gemeinsamen Ausflügen oder zum Mittagessen kennen. In meiner freien Zeit ergänzte ich meine Arabischkenntnisse mit palästinensischem Dialektunterricht. Besonders aufregend war es für mich, einige von den uralten Städten in der Nähe zu entdecken. Ich fuhr oft nach Jerusalem und machte Ausflüge nach Hebron, Jericho, Haifa, Akko und Tel Aviv. Da die Entfernungen relativ gering sind, ging das trotz Checkpoints recht schnell. Besonders die Altstädte faszinierten mich: die winzigen, krummen Gassen, die herumstreunenden Katzen und die eng aneinandergeklebten Geschäfte und vielen Düfte… Doch diese Schönheit wurde immer wieder gebrochen, wenn ich an gesperrten Straßen kam oder in Soldaten mit Maschinengewehren hineinlief. Insgesamt war es sehr erhellend für mich, die politische Situation so direkt zu erfahren. Zusammen mit den vielen Informationen, die ich bei der Arbeit lernte, und den persönlichen Geschichten, die sich nach und nach in Gesprächen mit Bekannten und Kollegen entfalteten, entstand für mich ein klares Bild von einer verfahrenen, scheinbar unlösbaren Situation. Ich empfehle das Praktikum als eine bereichernde Erfahrung, wenn man mehr über Palästina, die Situation und Menschen erfahren möchte. *** Die von uns wiedergegebenen Berichte von durch uns vermittelte Praktikant/innen spiegeln nicht notwendigerweise die Sichtweise von 14km e.V. oder unseren Partnern wider.  


Kairo in Bewegung

Zwischenbericht von Johanna bei New Horizon

Johanna meldet sich aus ihrem Praktikum bei der New Horizon Association for Social Development in Kairo: Ich bin jetzt seit fast drei Wochen in Kairo und die Zeit verging bisher unglaublich schnell. Auch wenn ich recht viel unterwegs bin, habe ich das Gefühl, dass ich noch kaum etwas gesehen habe. Kairo ist einfach so groß! Alles ist immer in Bewegung, es ist laut, bunt und unübersichtlich. Am meisten genieße ich es, morgens im Taxi zur Arbeit zu sitzen, mit offenem Fenster, und am Nil entlang zu fahren. Oder mich in eines der vielen kleinen Cafés zu setzen, Tee zu trinken und die Leute zu beobachten. Irgendwie mag ich sogar den Geruch hier, eine Mischung aus Müll, Erde und Abgasen. Was mich aber sehr verwirrt und mir Schwierigkeiten bereitet, ist dazwischen abzuwägen, wie ich selbst Situationen erlebe und wie andere dieselben Situationen einschätzen. Ich fühle mich eigentlich sehr sicher hier, werde aber immer wieder aus diesem Gefühl herausgerissen, wenn mich andere davor warnen, mich auf die eine oder andere Weise zu verhalten. Ich bin gespannt, ob ich es in den nächsten drei Monaten noch schaffe, ein angemessenes Mittelmaß zu finden. *** Die von uns wiedergegebenen Berichte von durch uns vermittelte Praktikant/innen spiegeln nicht notwendigerweise die Sichtweise von 14km e.V. oder unseren Partnern wider.


„Ich bin so dankbar für diese Erfahrung“

Praktikumsbericht von Dayala bei CSM in Rabat

Bei der Arbeit mit den Mitarbeiterinnen Meine Zeit in Marokko ist wie im Fluge vergangen und ich wünschte, ich hätte noch länger bleiben können. Insgesamt war ich im Oktober und November 2015 sieben Wochen in Rabat, wo ich ein Praktikum/ Freiwilligendienst bei der NGO Chantiers Sociaux Marocains (CSM) gemacht habe. Wie ich schon in meinem Zwischenbericht nach der Hälfte der Zeit berichtet habe, habe ich im Centre Lalla Meriem gearbeitet, einer Pflegeeinrichtung für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen, mit welchem CSM kooperiert. Von Anfang an war ich total begeistert von Rabat. Obwohl es die Hauptstadt Marokkos ist, ist die Stadt nicht besonders touristisch. Dabei ist sie so sehenswert! In der Medina (Altstadt) ist stets ein turbulentes Treiben, hier kann man die bestens Schnäppchen ergattern, in verwinkelten Gassen das authentischste marokkanische Essen finden (das hier zudem sehr preiswert ist) und seine Freunde innerhalb von ein paar Sekunden inmitten der Menschenmasse verlieren. Abgesehen von einer „Touri-Straße“, in der es die typischen marrokanischen Souvenirs zu kaufen gibt, trifft man hier wirklich keine Touristen. Mit einem Teil meiner Gastfamilie Gewohnt habe ich während meines Praktikums bei einer Gastfamilie in der Nachbarschaft Youssoufia, die etwas außerhalb liegt. Meine Gastfamilie war sehr nett und gastfreundlich. Meine Gastmutter hat die beste Tajine gekocht! Das marokkanische Essen ist wirklich super. Mein Zimmer habe ich mir mit einer anderen Freiwilligen aus Deutschland geteilt, mir der ich auch zusammen im Centre Lalla Meriem gearbeitet habe. Zur Arbeit sind wir immer in einem geteilten Taxi gefahren, so hat die Fahrt nur 5 Dirham (~50 Cent) pro Person gekostet. Unsere Arbeit war mitten im Zentrum im Stadtteil Hassan. Auf dem Weg von Youssoufia in die Innenstadt sind wir jeden Tag an der Stadtruine Chellah vorbei gefahren, eine der Hauptsehenswürdigkeiten von Rabat. Gegen Ende meines Aufenthalts habe ich es endlich geschafft, mir Chellah anzugucken. Chellah ist wirklich traumhaft, wie ein großer Park, zwischen den ganzen Ruinen wachsen bunte Blumen und Palmen und von überall hört man das Klappern der Störche, die hier überwintern. Ich habe noch nie so viele Störche auf einmal gesehen, auf fast jeder Ruine hatten Störche ihre großen Nester gebaut. In Chellah Die zweite Hälfte meines Aufenthaltes ging noch schneller vorbei als die erste. Es ist ein tolles Gefühl, wenn man merkt, dass man an einem Ort richtig angekommen ist – dass man kein Tourist (mehr) ist, sondern sich in der Stadt auskennt, einen richtigen Alltag hat, Fortschritte in der Sprache macht und Freunde gefunden hat. Auch auf der Arbeit konnte ich besser mithelfen, da ich die Abläufe, Mitarbeiterinnen und Kinder gut kennengelernt hatte. Ich habe die meiste Zeit auf der Station mit den Kleinsten gearbeitet (Neugeborene bis ca. 2 Jahre) und die Kinder sind mir sehr ans Herz gewachsen. Die Babys, die gesund sind, werden alle adoptiert. Natürlich freut man sich immer sehr, wenn ein Kind wieder eine Familie bekommt, aber der Abschied fällt allen trotzdem immer schwer. Es ist schwierig ein Kind gehen zu lassen, wenn man es jeden Tag sieht und sich kümmert und vor allem weiß, dass man es wahrscheinlich nie wieder sehen wird. Ich bewundere die Mitarbeiterinnen im Centre echt für ihre Stärke. Babies, die eine Krankheit oder Behinderung haben, werden meistens nicht adoptiert und verbringen ihr ganzes Leben in der Einrichtung. Ich habe während meiner Arbeit im Centre Lalle Meriem sehr viel gelernt und an Erfahrung mitgenommen. Mit den Mitarbeiterinnen habe ich mich sehr gut verstanden. Mit den meisten habe ich immer auf Französisch gesprochen und dadurch auf jeden Fall auch mein Französisch verbessert. Mit einer Krankenschwester habe ich mich besonders gut verstanden. Sie konnte kein Französisch, aber wir konnten uns trotzdem immer irgendwie gut verständigen. Von ihr habe ich viel Darija (der marokkanische Arabischdialekt) gelernt. Da ich während meines Studiums Hocharabisch gelernt hatte, habe ich dies immer mit den Brocken Darija, die ich konnte, vermischt und wir haben auch viel über Gesten kommuniziert. Sie hat drei Töchter, die ungefähr in meinem Alter sind und hat mich auch ein paar Mal zu sich nach Hause eingeladen. Einmal hat CSM auch ein Malprojekt mit den Grundschulkindern im Centre Lalla Meriem organisiert. Circa 10 Mitarbeiter und Freiwillige von CSM kamen dazu auch in den Centre und wir haben die Hauswände und die Mauer im Eingangsbereich des Geländes bemalt. Das hat nicht nur den Kindern, sondern auch uns allen sehr viel Spaß bereitet und ich habe mein Bestes getan, die Wünsche der Kids (u.a. Sponge Bob und Mickey Mouse umzusetzen). Am Strand mit meinen Gastschwestern und der anderen deutschen Freiwilligen In meiner Freizeit habe ich viel mit meinen neuen marokkanischen Freunden oder den Mitarbeitern von CSM unternommen. Wir waren in Cafés, am Strand (spazieren, zum Baden war es leider zu kalt, als ich da war) oder haben zusammen gekocht. Viele meiner Freunde konnten sehr gut Englisch. Dies hat den Nachteil, dass man natürlich weniger Fortschritte im Marokkanischen macht, aber den Vorteil, dass man tiefere Gespräche führen kann. Mit einer Freundin habe ich aber immer Französisch geredet, da sie meinte, dass ihr Englisch nicht gut wäre. Obwohl mein Französisch auch nicht gut ist, konnten wir uns immer unterhalten und ich habe durch sie auch gute Fortschritte im Französischen gemacht. Der Abschied viel mir sehr schwer, da ich so viele tolle Menschen kennengelernt habe und gerade erst richtig angekommen war. Ich stehe aber immer noch in gutem Kontakt mit meinen Freunden und hoffe, sie dieses Jahr nochmal besuchen zu können! Vielen Dank 14 km e.V. für die Vermittlung dieses tollen Aufenthaltes! Die von uns wiedergegebenen Berichte von durch uns vermittelte Praktikant/innen spiegeln nicht notwendigerweise die Sichtweise von 14km e.V. oder unseren Partnern wider.


Twittern für nachhaltige Entwicklung

Zwischenbericht von Lisa bei der High Atlas Foundation in Marrakesh

Seit Anfang Januar bin ich bei der High Atlas Foundation (HAF) in Marrakesch als Praktikantin im Social Media Bereich der NGO. Die Mission der High Atlas Foundation ist:”(…) to catalyze grassroots development in disadvantaged and vulnerable communities in Morocco.” Meine Aufgabe ist die Vermittlung der Arbeit der Organisation an die Öffentlichkeit. Dafür verwende ich Social-Media-Kanäle wie Twitter, Facebook, Emailkampagnen und die Homepage der Organisation. Wir sind ein internationales Team hier im Büro und bringen so verschiedene Perspektiven zusammen. Einige Frauen des Projekts in Ourika habe ich bei einem Training über das Pflanzen von Mandelbäumen kennenlernen dürfen. HAF hat das Ziel, die Selbständigkeit der Frauen zu fördern und dabei nachhaltige Landwirtschaft zu implementieren und in Marokko zu verbreiten. Die Frauen sind sehr herzlich und warm zu mir gewesen und es ist spannend zu sehen wie die Projekte umgesetzt werden. Die Gesichter hinter der Arbeit zu sehen motiviert mich unglaublich. Ich fühle mich sehr wohl in Marokko und bin gespannt, welche neuen Eindrücke ich noch bis April von der Arbeit und dem Land bekomme. Ich bin dem Verein 14 km e.V. sehr dankbar für die gute und unkomplizierte Vermittlung zur HAF.


Jasmin Feldmanns Bericht über ihr Praktikum bei unserer Partnerorganisation NHASD in Kairo

  Die Organisation New Horizon Association for Social Development (NHASD) ist eine eingetragene Nichtregierungsorganisation (NRO) mit Sitz in Alt-Kairo, die 2003 von Nady Kamel und sechs weiteren Experten in der Entwicklungshilfe gegründet wurde. Ziel der Organisation ist es, sich für soziale und ökonomisch ausgegrenzte Gruppen einzusetzen. Mit einem Jahresbudget von ungefähr 500.000 Euro (nach eigenen Angaben) ist NHASD eine mittelgroße Organisation. Die Zielgruppe umfasst Straßenkinder, Frauen, Jugendliche, Flüchtlinge und Bauern. Die Organisation agiert dabei in einem Netzwerk aus ca. 19 weiteren NROs innerhalb Ägyptens. Konkret versuchen die rund 50 Angestellten und Freiwilligen der Organisation marginalisierten Gruppen mithilfe von Trainingsprogrammen und Mikrokrediten die Teilhabe am sozialen und ökonomischen Leben zu ermöglichen. Frauen sollen Lesen und Schreiben beigebracht und über ihre Rechte aufgeklärt werden. Manchen soll ein Mikrokredit gewährleistet werden, mit welchem sie sich einen eigenen kleinen Laden einrichten und somit ein Stück weit selbstbestimmtes Leben leben können. Laut Direktor der Organisation Nady Kamel, legen er und sein Team besonderes Augenmerk auf die Nachhaltigkeit ihrer Projekte. In einem dieser Projekte bemühe sich das Team von NHASD in Kooperation mit dem Landwirtschaftsministerium und fünf weiteren NROs um den Ausbau ökologischer Landwirtschaft im Wadi al-Ğadida (das Neue Tal) 550 km südwestlich von Kairo. Kairo Kairo ist die mit rund 20 Millionen Einwohnern die größte Stadt der arabischen Welt und die zweitgrößte Afrikas. Die Angaben der Einwohnerzahlen schwanken zwischen 17 und 24 Millionen, da es in Ägypten keine Meldepflicht gibt und die Angaben lediglich ungenaue Hochrechnungen darstellen. Tatsächlich wachsen die Metropolen Kairo und Alexandria dramatisch. Die Landbevölkerung Ägyptens leidet unter Armut und Arbeitslosigkeit. 89 % der Bevölkerung ist zwischen 15 und 24, die Arbeitslosenrate liegt zwischen 13 und 14% (Statista 2014/ Index Mundi 2014). Junge Menschen sehen keine Lebensperspektive auf dem Land und ziehen in die Städte um dort ihr Glück zu versuchen. Jedoch sind die Arbeitsplätze nach der Revolution 2011 stetig zurückgegangen, vor allem der Tourismus leidet unter einer starken Rezession. Kairo steht vor einem großen Problem: Immer mehr Menschen drängen auf immer weniger Arbeitsplätze und Raum. Darüber hinaus ist ein öffentliches Verkehrssystem nahezu inexistent und die Straßen überquellt. Investitionen gehen allerdings nur in Luxusbauten und Siedlungen in den neuen Distrikten außerhalb Kairos. Kilometerlang sind die Straßen von informellen Bauten gesäumt. Meine Aufgaben Ich absolvierte mein Praktikum in der Hauptelle von NHASD in der Abteilung “Fundraising and Communication”. Dort arbeitete ich in einem Büro mit zwei Arbeitskolleginnen, Nourhan Elganzory und Sara Kamel, die beide als Fundraising and Communication Officer für die Organisation tätig sind. Deren Aufgabenbereich bestand darin, Kontakte mit anderen Organisationen aufzubauen und zu pflegen, Konzepte für Projekte zu entwerfen und Anträge für die Förderung solcher Projekte (Proposals) zu schreiben. Die ersten Tage war ich damit beschäftigt Unterlagen zu Projekten durchzulesen. Ich las Konzepte, Proposals, Budgetpläne und Emailkorrespondenzen. Somit verschaffte ich mir nicht nur einen genauen Eindruck von der Arbeit eines Fundraising and Communication Officers, sondern erfuhr auch mehr über die diversen Projekte, die NHASD in den letzten Jahren unternahm. Darunter waren die Einrichtung von Kindergärten für Kinder syrischer Flüchtlinge, diverse Weiterbildungskurse für Frauen und die Förderung ökologischer Landwirtschaft in New Valley. Kaum hatte ich alle Unterlagen studiert durfte ich auch schon einen Antrag auf Förderung für eines dieser Projekte verfassen. Es handelte sich um einen Antrag auf Förderung bei einer US-amerikanischen NRO, “One-Days-Wages”. Diese hatten bereits an einem ihnen zugesandten Konzepts Interesse gezeigt und forderten nun die detaillierte Beschreibung dieses Projekts. Die meisten Informationen fand ich in den Unterlagen, die mir bereits vorlagen, und wenn ich etwas nicht wusste, interviewte ich meine Kollegen und Kolleginnen. Es handelte sich um das Projekt “Employee Some to Feed Many” in welchem das Team von NHASD den Ausbau ökologischer Landwirtschaft in New Valley vorantreiben wollte. Ich beschrieb in diesem Antrag die Organisation, die Gegend in der das Projekt verwirklicht werden sollte, die Notwendigkeit und Nutzen des Projekts und die erwarteten Risiken sowie Ergebnisse (Anhang). Mit dieser Aufgabe war ich mehrere Tage beschäftigt, nicht zuletzt weil ich meist Kollegen und Kolleginnen aus verschiedenen Abteilungen aufsuchen musste um Informationen zu erhalten. Mein Bericht enthielt selbstverständlich Lücken, die am Ende von meiner Arbeitskollegin Sara Kamel gefüllt wurden. Meine nächste Aufgabe bestand darin ein Konzept für ein neues Projekt zu verfassen. Der Direktor der Organisation Nady Kamel, erzählte mir von seiner Idee die syrischen Flüchtlinge in Kairo mit mobiler sozialer sowie psychologischer Unterstützung zu versorgen. Dieses Projekt sollte in Zusammenarbeit mit UNICEF entstehen und ich sollte nun ein Konzept verfassen, welches schließlich UNICEF vorgelegt werden sollte. Ein Konzept unterscheidet sich von einem Proposal insofern, dass es kurz gefasst ist und die Idee überzeugend präsentiert wird. Die überzeugenden Argumente sind auch hier die ökonomischen: Kostenverminderung und Effizienz. So sollte ich in diesem Konzept die Partner von UNICEF überzeugen, dass es günstiger und effizienter sei, die Flüchtlinge mit mobilen Einheiten zu unterstützen, statt feste Hilfestellen in den jeweiligen Gebieten einzurichten. In der ersten Version meines Konzepts beschrieb ich die Lage der syrischen Flüchtlinge, welche zunehmend Anfeindungen und Diskriminierung ausgeliefert sind. Dabei erwähnte ich auch die Militärregierung Ägyptens und deren verschärften Visaregulierungen. Ich legte dem Direktor mein Konzept vor und dieser bat mich politische Aussagen zu entfernen. Diese würden zwar zutreffen, aber als NRO müsse man vorsichtig sein. In Ägypten überlebt eine NRO mit politischen Hintergründen nur schwer. Also strich ich, wenn auch mit einem mulmigen Gefühl, alle Passagen mit konkreten Aussagen über die momentane Regierung. Der Direktor zeigte sich schließlich zufrieden mit der finalen Version meines Konzept und sendete es zu meiner Überraschung direkt an seine Kontaktperson von UNICEF weiter. Mit soviel Verantwortung hatte ich als Praktikantin nicht gerechnet. Anschließend arbeitete ich zusammen mit meiner Kollegin Sara Kamel an einem ausführlichen Antrag an „Brot für die Welt“. Hier bestand meine Aufgabe vor allem darin, Hintergrundrecherche zu betreiben, den Antrag Korrektur zu lesen und wenn nötig umzuformulieren. Bei dieser Arbeit erfuhr ich viel über Ägyptens Zahlen zu Bevölkerung, Wirtschaft, Wasserressourcen und Landwirtschaft. Die Statistiken unterscheiden sich allen Bereichen erheblich, und da Erhebungen in Ägypten unter strenger Kontrolle der Regierung stehen, halte ich die meisten Statistiken für unbrauchbar. Die Überarbeitung des Textes bedurfte viel Zeit und Geduld. Vor allem deshalb, da weder ich noch meine Kollegin Englisch als Muttersprache lernten. Es folgte eine ruhige Woche, in welcher ich kleine Hintergrundrecherchen zu möglichen Fördergeldern und Organisationen machte. Zum Beispiel welche Organisationen zusammenarbeiten, welche Schwerpunkte diese haben und wie hoch deren Fördergelder sind. In der letzten Woche durfte ich schließlich meine Kollegin Nourhan Elganzory bei einer „Field Visit“ begleiten. Wir besuchten das informelle Viertel „Batn al-Baraq“ (der Kuhmagen). Es ist eines der vielen informellen Vierteln in Kairo, welches mit rund 12.000 Einwohnern eher klein ist. Die meisten großen informellen Siedlungen bestehen aus roten mehrstöckigen Backsteinhäusern, die für den bloßen Betrachter genauso gut formelle Häuser sein könnten. Batn al-Baraq dagegen ist eine Siedlung, die aus Lehm, Wellblech und Stein erbaut wurde. Somit eine der ärmeren informellen Siedlungen, die eher den üblichen Vorstellung eines Armenviertels gleichen. Wasser und Strom ist vorhanden, aber die Häuser sind klein, meist nur an die zwei Zimmer für eine vierköpfige Familie. Die Menschen, die hier leben, arbeiten entweder als inoffizielle Recyceler¹ und Töpfer. Den meisten Bewohnern mangelt es allerdings an Arbeit und Einkommen. NHASD hat deswegen an Einzelpersonen dieses Viertels, vorwiegend Frauen, Mirkrokredite vergeben. Mit diesen Mirkrokrediten, nicht mehr als 50 bis 100 Euro, waren diese dann in der Lage einen kleinen Laden einzurichten, Ziegen zu kaufen, oder ein kleines Nähgeschäft zu eröffnen. Somit ist wenigstens der „minimale Lebensstandard“, Nahrung und Unterkunft, gesichert. Dies stellt allerdings keine Möglichkeit dar, der Armut zu entkommen. Die Kinder können nicht zur Schule geschickt werden, es gibt weder Krankenversicherung noch sonstige soziale Absicherungen. Rückblick In meinem Praktikum habe ich weitgehende Einblicke in die Arbeit einer NRO bekommen. Ich konnte nicht nur erfahren wie Organisationen aufgebaut und finanziert werden, sondern habe auch eine genaue Vorstellung von der alltäglichen Arbeit bekommen. Mir war zwar bewusst, dass auch NROs einen beträchtlichen Aufwand an administrativer Arbeit betreiben müssen, über das genaue Ausmaß war ich allerdings erstaunt. Mir erschien der administrative Aufwand und somit auch die Kosten, die dieser Bereich verschlang, immens. Um eine genaue Beurteilung abzugeben fehlt mir allerdings der Vergleich mit anderen NROs. Nach Angaben von NHASD gehen 12% des Jahresbudget in die Administration, tatsächlich verschlingt jede einzelne Projekt aber wiederum eigene administrative Kosten. Meine Arbeit selbst war anspruchsvoller als ich erwartet hatte. Ich hatte nicht damit gerechnet eigene Proposals zu verfassen und Einblicke in die Finanzen und andere Unterlagen zu erhalten. Das Verfassen englischer Texte fiel mir anfangs nicht leicht und das selbstständige Einarbeiten in die Projekte anhand von Unterlagen, Beschreibungen, Projektplänen und Budgetaufstellungen verlangte Geduld und Konzentration. Falls ich wieder einmal in einer NRO oder Ähnlichem arbeiten würde, dann jedoch lieber direkt „im Feld“, diese Arbeit liegt mir näher. Dennoch möchte ich die Erfahrungen, die ich gemacht habe und die Dinge, die ich gelernt habe um keinen Preis missen. ¹Die Müllsammler Kairos, die Zabalin, sind Kopten, die den Müll auf Kairos Straßen einsammeln und anschließend in ihren Vierteln trennen und anschließend Rohstoffe wie Plastik und Aluminium weiter verkaufen. Dieses System ist informell und funktioniert bemerkenswert gut.


|