Praktikumsprogramm

„White Saviours“ in Aktion? Ein kritischer Blick auf internationale Freiwilligendienste aus drei Perspektiven

Am dritten de:kolonial Film-und Diskussionsabend am 11. September warfen wir einen (auch selbst-)kritischen Blick auf internationale Freiwilligendienste und setzten uns mit dem Phänomen des "White Saviourism" auseinander. Zum Einstieg zeigten wir die Dokumentation "H.O.P.E. was here" von Mark Denega. Der Film begleitet junge Studierende eines Bostoner Colleges, die an einem einwöchigen Freiwilligenprogramm ihrer Hochschule in Peru teilnehmen und dort in einer Schule und einer Organisation, die Kinder mit Behinderungen betreut, eingesetzt werden. Damit wird ein sicherlich extremes Beispiel eines Freiwilligeneinsatzes gezeigt, denn die kurze Zeit des Aufenthalts steigert die Absurdität des Unterfangens erheblich. Dennoch werden viele problematische Aspekte augenscheinlich, die für Freiwilligendienste insgesamt relevant sind und in der Folge diskutiert wurden. Drei Speakerinnnen brachten im Anschluss an das Filmscreening ihre Perspektiven auf die Problematik ein. Camila Ardila Oviedo konnte als Teilnehmerin eines Forschungsprojekts des ASA Programms in Brasilien über ihre dortigen Erfahrungen als Freiwillige erzählen. Caroline Bunge, Vorstandsmitglied von 14,4 km e.V., berichtete über ihre Erfahrungen in der Vermittlungsarbeit für den Verein, über den Freiwilligendienste in die MENA-Region vermittelt werden. Khaoula Behi hingegen teilte mit uns ihre Erfahrungen mit westlichen Praktika und Freiwilligendienstlern, die in Ihrem oder anderen Unternehmen in Tunesien eingesetzt wurden. v.l.n.r.: Caroline Bunge, Khaoula Behi, Moderatorin Maissa Lihedheb, Camila Ardila Oviedo Als eines der Hauptthemen des Abends wurde diskutiert, ob einseitige Freiwilligendienste eine Art White Savior Komplex oder gar weiße Überlegenheit manifestierten. Hierbei waren sich alle auf dem Podium darüber einig, dass durch den einseitigen Austausch letztlich nur privilegierte junge Menschen aus der westlichen Welt einen Einblick in die Lebenswelt anderer Länder bekommen, während der Nutzen für die empfangenden Organisationen und lokalen Gemeinden marginal ist. Es wurde somit die Frage aufgeworfen, wer die eigentlichen Gewinner*innen eines kurzen oder auch langen Aufenthalts als Freiwillige*r in der MENA- Region sind. Caroline beantwortete die Frage, ob sie das Freiwilligenprogramm von 14,4km selbst kritisch sehe damit, dass auch sie den einseitigen Austausch als problematisch empfinde. Versuche des Vereins, Leuten aus der MENA-Region ein Praktikum in Deutschland zu ermöglichen, seien bisher jedoch aufgrund der Visa-Bestimmungen oder aus finanziellen Gründen gescheitert. Wichtig im aktuellen Verfahren sei die Abstimmung mit den Partner-Organisationen und die Grundhaltung, mit der Praktikant*innen in die Region gingen: eben nicht als Retter*innen, die vor Ort Veränderung herbeiführen, sondern als Lernende, die von ihrem Aufenthalt profitieren. Caroline Bunge, Foto: Susanne Kappe Auch aus dem Publikum meldeten sich Stimmen, die aus eigener Erfahrung einen kritischen Blick auf Freiwilligendienste gewonnen hatten. Ein Besucher erzählte von seinem Aufenthalt in Ghana und kritisierte im Nachhinein, dass er und andere bereits mit nur 18 Jahren ohne Ausbildung eine Schulklasse unterrichten sollten. Dass der umgekehrte Fall in Deutschland oder anderswo in Europa keinesfalls möglich wäre, verdeutlicht die Problematik. Es deutet darauf hin, dass weißes Überlegenheitsdenken und ein White Savior Komplex existieren, die es ermöglichen, dass unqualifizierte junge Menschen in Ländern der MENA-Region und anderen Ländern des globalen Südens auf Positionen arbeiten, die ihnen in ihren Herkunftsländern nicht zustehen würden. Somit wird ein Überlegenheit der Weißen suggeriert und ein solches Überlegenheitsdenken legitimiert. Allerdings gab es auch positive Berichte über den Austausch, wie zum Beispiel Khaoula Behi sagte: “Das Schöne an so einem Austausch ist, dass man verschiedene Kulturen kennenlernt.” Sie erzählte auch, dass sie selbst mal die andere Rolle eingenommen hat, als sie für die Arbeit nach Nigeria reiste und dort als Weiße wahrgenommen wurde. “Vor allem war es für mich sehr lehrreich, als mich die Einheimischen nach Rat gefragt haben und zu mir aufschauten wie in etwa ‘Sie ist doch weiß, sie kann uns belehren’. Ich war überwältigt aber auch nicht überrascht, weil White Supremacy einfach so in unsere Welt integriert ist”. Khaoula Behi, Foto: Susanne Kappe Insgesamt zeigte die Diskussion an dem Abend, dass das Thema Freiwilligendienste und das damit zusammenhängende Phänomen des White Saviorism einer stärkeren kritischen öffentlichen Auseinandersetzung bedarf. Denn im Gegensatz zu den Teilnehmenden und Gästen an diesem Abend, die sehr selbstkritisch und reflektiert über die Problematik sprachen, ist die öffentliche Wahrnehmung von Freiwilligendiensten noch immer von einem Bild geprägt, für das selbstloser Einsatz und die Aufklärung vermeintlich rückständiger Kulturen zentral sind. Dazu gehören auch die unzähligen Bilder, die weiße Menschen umringt von strahlenden schwarzen Kindern zeigen und die sowohl in den sozialen als auch klassischen Medien omnipräsent sind. Trotzdem ergab sich aus der Diskussion nicht die Schlussfolgerung, dass Freiwilligendienste gänzlich abzuschaffen seien. Ein positiver Effekt dieser Auslandsaufenthalte ist, dass junge oder auch ältere Menschen aus ihrer bekannten Umgebung herauskommen und einen Teil der Vielfalt der Welt kennenlernen, indem sie sich in ein neues Umfeld und eine fremde Kultur einfinden. Dabei können Empathie und Offenheit geschult und die rein nationale, eurozentristische oder westliche Perspektive auf die Welt und die globalen Herausforderungen durch einen anderen lokalen Blickwinkel ergänzt werden. Diesen positiven Effekt gilt es zu fördern und die Menschen, die sich auf die Reise begeben, entsprechend kritisch vorzubereiten. Im Kern geht es somit vielmehr um eine Lernreise für Menschen aus Deutschland oder dem globalen Norden, die sich vor Ort in der Rolle eines Gastes, Lernenden und Beschenkten befinden, als um einen Freiwilligendienst, in dem der*die Freiwillige sich für die lokalen Gemeinden einsetzt. Dieses Framing erlaubt eine konstruktive kritische Einordnung der Freiwilligendienste und kann eine entsprechende Umsetzung leiten. Der Film- und Diskussionsabend der Reihe 14km de:kolonial wurde gefördert von:


Kairo in Bewegung

Zwischenbericht von Johanna bei New Horizon

Johanna meldet sich aus ihrem Praktikum bei der New Horizon Association for Social Development in Kairo: Ich bin jetzt seit fast drei Wochen in Kairo und die Zeit verging bisher unglaublich schnell. Auch wenn ich recht viel unterwegs bin, habe ich das Gefühl, dass ich noch kaum etwas gesehen habe. Kairo ist einfach so groß! Alles ist immer in Bewegung, es ist laut, bunt und unübersichtlich. Am meisten genieße ich es, morgens im Taxi zur Arbeit zu sitzen, mit offenem Fenster, und am Nil entlang zu fahren. Oder mich in eines der vielen kleinen Cafés zu setzen, Tee zu trinken und die Leute zu beobachten. Irgendwie mag ich sogar den Geruch hier, eine Mischung aus Müll, Erde und Abgasen. Was mich aber sehr verwirrt und mir Schwierigkeiten bereitet, ist dazwischen abzuwägen, wie ich selbst Situationen erlebe und wie andere dieselben Situationen einschätzen. Ich fühle mich eigentlich sehr sicher hier, werde aber immer wieder aus diesem Gefühl herausgerissen, wenn mich andere davor warnen, mich auf die eine oder andere Weise zu verhalten. Ich bin gespannt, ob ich es in den nächsten drei Monaten noch schaffe, ein angemessenes Mittelmaß zu finden. *** Die von uns wiedergegebenen Berichte von durch uns vermittelte Praktikant/innen spiegeln nicht notwendigerweise die Sichtweise von 14km e.V. oder unseren Partnern wider.


„Ich bin so dankbar für diese Erfahrung“

Praktikumsbericht von Dayala bei CSM in Rabat

Bei der Arbeit mit den Mitarbeiterinnen Meine Zeit in Marokko ist wie im Fluge vergangen und ich wünschte, ich hätte noch länger bleiben können. Insgesamt war ich im Oktober und November 2015 sieben Wochen in Rabat, wo ich ein Praktikum/ Freiwilligendienst bei der NGO Chantiers Sociaux Marocains (CSM) gemacht habe. Wie ich schon in meinem Zwischenbericht nach der Hälfte der Zeit berichtet habe, habe ich im Centre Lalla Meriem gearbeitet, einer Pflegeeinrichtung für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen, mit welchem CSM kooperiert. Von Anfang an war ich total begeistert von Rabat. Obwohl es die Hauptstadt Marokkos ist, ist die Stadt nicht besonders touristisch. Dabei ist sie so sehenswert! In der Medina (Altstadt) ist stets ein turbulentes Treiben, hier kann man die bestens Schnäppchen ergattern, in verwinkelten Gassen das authentischste marokkanische Essen finden (das hier zudem sehr preiswert ist) und seine Freunde innerhalb von ein paar Sekunden inmitten der Menschenmasse verlieren. Abgesehen von einer „Touri-Straße“, in der es die typischen marrokanischen Souvenirs zu kaufen gibt, trifft man hier wirklich keine Touristen. Mit einem Teil meiner Gastfamilie Gewohnt habe ich während meines Praktikums bei einer Gastfamilie in der Nachbarschaft Youssoufia, die etwas außerhalb liegt. Meine Gastfamilie war sehr nett und gastfreundlich. Meine Gastmutter hat die beste Tajine gekocht! Das marokkanische Essen ist wirklich super. Mein Zimmer habe ich mir mit einer anderen Freiwilligen aus Deutschland geteilt, mir der ich auch zusammen im Centre Lalla Meriem gearbeitet habe. Zur Arbeit sind wir immer in einem geteilten Taxi gefahren, so hat die Fahrt nur 5 Dirham (~50 Cent) pro Person gekostet. Unsere Arbeit war mitten im Zentrum im Stadtteil Hassan. Auf dem Weg von Youssoufia in die Innenstadt sind wir jeden Tag an der Stadtruine Chellah vorbei gefahren, eine der Hauptsehenswürdigkeiten von Rabat. Gegen Ende meines Aufenthalts habe ich es endlich geschafft, mir Chellah anzugucken. Chellah ist wirklich traumhaft, wie ein großer Park, zwischen den ganzen Ruinen wachsen bunte Blumen und Palmen und von überall hört man das Klappern der Störche, die hier überwintern. Ich habe noch nie so viele Störche auf einmal gesehen, auf fast jeder Ruine hatten Störche ihre großen Nester gebaut. In Chellah Die zweite Hälfte meines Aufenthaltes ging noch schneller vorbei als die erste. Es ist ein tolles Gefühl, wenn man merkt, dass man an einem Ort richtig angekommen ist – dass man kein Tourist (mehr) ist, sondern sich in der Stadt auskennt, einen richtigen Alltag hat, Fortschritte in der Sprache macht und Freunde gefunden hat. Auch auf der Arbeit konnte ich besser mithelfen, da ich die Abläufe, Mitarbeiterinnen und Kinder gut kennengelernt hatte. Ich habe die meiste Zeit auf der Station mit den Kleinsten gearbeitet (Neugeborene bis ca. 2 Jahre) und die Kinder sind mir sehr ans Herz gewachsen. Die Babys, die gesund sind, werden alle adoptiert. Natürlich freut man sich immer sehr, wenn ein Kind wieder eine Familie bekommt, aber der Abschied fällt allen trotzdem immer schwer. Es ist schwierig ein Kind gehen zu lassen, wenn man es jeden Tag sieht und sich kümmert und vor allem weiß, dass man es wahrscheinlich nie wieder sehen wird. Ich bewundere die Mitarbeiterinnen im Centre echt für ihre Stärke. Babies, die eine Krankheit oder Behinderung haben, werden meistens nicht adoptiert und verbringen ihr ganzes Leben in der Einrichtung. Ich habe während meiner Arbeit im Centre Lalle Meriem sehr viel gelernt und an Erfahrung mitgenommen. Mit den Mitarbeiterinnen habe ich mich sehr gut verstanden. Mit den meisten habe ich immer auf Französisch gesprochen und dadurch auf jeden Fall auch mein Französisch verbessert. Mit einer Krankenschwester habe ich mich besonders gut verstanden. Sie konnte kein Französisch, aber wir konnten uns trotzdem immer irgendwie gut verständigen. Von ihr habe ich viel Darija (der marokkanische Arabischdialekt) gelernt. Da ich während meines Studiums Hocharabisch gelernt hatte, habe ich dies immer mit den Brocken Darija, die ich konnte, vermischt und wir haben auch viel über Gesten kommuniziert. Sie hat drei Töchter, die ungefähr in meinem Alter sind und hat mich auch ein paar Mal zu sich nach Hause eingeladen. Einmal hat CSM auch ein Malprojekt mit den Grundschulkindern im Centre Lalla Meriem organisiert. Circa 10 Mitarbeiter und Freiwillige von CSM kamen dazu auch in den Centre und wir haben die Hauswände und die Mauer im Eingangsbereich des Geländes bemalt. Das hat nicht nur den Kindern, sondern auch uns allen sehr viel Spaß bereitet und ich habe mein Bestes getan, die Wünsche der Kids (u.a. Sponge Bob und Mickey Mouse umzusetzen). Am Strand mit meinen Gastschwestern und der anderen deutschen Freiwilligen In meiner Freizeit habe ich viel mit meinen neuen marokkanischen Freunden oder den Mitarbeitern von CSM unternommen. Wir waren in Cafés, am Strand (spazieren, zum Baden war es leider zu kalt, als ich da war) oder haben zusammen gekocht. Viele meiner Freunde konnten sehr gut Englisch. Dies hat den Nachteil, dass man natürlich weniger Fortschritte im Marokkanischen macht, aber den Vorteil, dass man tiefere Gespräche führen kann. Mit einer Freundin habe ich aber immer Französisch geredet, da sie meinte, dass ihr Englisch nicht gut wäre. Obwohl mein Französisch auch nicht gut ist, konnten wir uns immer unterhalten und ich habe durch sie auch gute Fortschritte im Französischen gemacht. Der Abschied viel mir sehr schwer, da ich so viele tolle Menschen kennengelernt habe und gerade erst richtig angekommen war. Ich stehe aber immer noch in gutem Kontakt mit meinen Freunden und hoffe, sie dieses Jahr nochmal besuchen zu können! Vielen Dank 14 km e.V. für die Vermittlung dieses tollen Aufenthaltes! Die von uns wiedergegebenen Berichte von durch uns vermittelte Praktikant/innen spiegeln nicht notwendigerweise die Sichtweise von 14km e.V. oder unseren Partnern wider.


Twittern für nachhaltige Entwicklung

Zwischenbericht von Lisa bei der High Atlas Foundation in Marrakesh

Seit Anfang Januar bin ich bei der High Atlas Foundation (HAF) in Marrakesch als Praktikantin im Social Media Bereich der NGO. Die Mission der High Atlas Foundation ist:”(…) to catalyze grassroots development in disadvantaged and vulnerable communities in Morocco.” Meine Aufgabe ist die Vermittlung der Arbeit der Organisation an die Öffentlichkeit. Dafür verwende ich Social-Media-Kanäle wie Twitter, Facebook, Emailkampagnen und die Homepage der Organisation. Wir sind ein internationales Team hier im Büro und bringen so verschiedene Perspektiven zusammen. Einige Frauen des Projekts in Ourika habe ich bei einem Training über das Pflanzen von Mandelbäumen kennenlernen dürfen. HAF hat das Ziel, die Selbständigkeit der Frauen zu fördern und dabei nachhaltige Landwirtschaft zu implementieren und in Marokko zu verbreiten. Die Frauen sind sehr herzlich und warm zu mir gewesen und es ist spannend zu sehen wie die Projekte umgesetzt werden. Die Gesichter hinter der Arbeit zu sehen motiviert mich unglaublich. Ich fühle mich sehr wohl in Marokko und bin gespannt, welche neuen Eindrücke ich noch bis April von der Arbeit und dem Land bekomme. Ich bin dem Verein 14 km e.V. sehr dankbar für die gute und unkomplizierte Vermittlung zur HAF.


Jasmin Feldmanns Bericht über ihr Praktikum bei unserer Partnerorganisation NHASD in Kairo

  Die Organisation New Horizon Association for Social Development (NHASD) ist eine eingetragene Nichtregierungsorganisation (NRO) mit Sitz in Alt-Kairo, die 2003 von Nady Kamel und sechs weiteren Experten in der Entwicklungshilfe gegründet wurde. Ziel der Organisation ist es, sich für soziale und ökonomisch ausgegrenzte Gruppen einzusetzen. Mit einem Jahresbudget von ungefähr 500.000 Euro (nach eigenen Angaben) ist NHASD eine mittelgroße Organisation. Die Zielgruppe umfasst Straßenkinder, Frauen, Jugendliche, Flüchtlinge und Bauern. Die Organisation agiert dabei in einem Netzwerk aus ca. 19 weiteren NROs innerhalb Ägyptens. Konkret versuchen die rund 50 Angestellten und Freiwilligen der Organisation marginalisierten Gruppen mithilfe von Trainingsprogrammen und Mikrokrediten die Teilhabe am sozialen und ökonomischen Leben zu ermöglichen. Frauen sollen Lesen und Schreiben beigebracht und über ihre Rechte aufgeklärt werden. Manchen soll ein Mikrokredit gewährleistet werden, mit welchem sie sich einen eigenen kleinen Laden einrichten und somit ein Stück weit selbstbestimmtes Leben leben können. Laut Direktor der Organisation Nady Kamel, legen er und sein Team besonderes Augenmerk auf die Nachhaltigkeit ihrer Projekte. In einem dieser Projekte bemühe sich das Team von NHASD in Kooperation mit dem Landwirtschaftsministerium und fünf weiteren NROs um den Ausbau ökologischer Landwirtschaft im Wadi al-Ğadida (das Neue Tal) 550 km südwestlich von Kairo. Kairo Kairo ist die mit rund 20 Millionen Einwohnern die größte Stadt der arabischen Welt und die zweitgrößte Afrikas. Die Angaben der Einwohnerzahlen schwanken zwischen 17 und 24 Millionen, da es in Ägypten keine Meldepflicht gibt und die Angaben lediglich ungenaue Hochrechnungen darstellen. Tatsächlich wachsen die Metropolen Kairo und Alexandria dramatisch. Die Landbevölkerung Ägyptens leidet unter Armut und Arbeitslosigkeit. 89 % der Bevölkerung ist zwischen 15 und 24, die Arbeitslosenrate liegt zwischen 13 und 14% (Statista 2014/ Index Mundi 2014). Junge Menschen sehen keine Lebensperspektive auf dem Land und ziehen in die Städte um dort ihr Glück zu versuchen. Jedoch sind die Arbeitsplätze nach der Revolution 2011 stetig zurückgegangen, vor allem der Tourismus leidet unter einer starken Rezession. Kairo steht vor einem großen Problem: Immer mehr Menschen drängen auf immer weniger Arbeitsplätze und Raum. Darüber hinaus ist ein öffentliches Verkehrssystem nahezu inexistent und die Straßen überquellt. Investitionen gehen allerdings nur in Luxusbauten und Siedlungen in den neuen Distrikten außerhalb Kairos. Kilometerlang sind die Straßen von informellen Bauten gesäumt. Meine Aufgaben Ich absolvierte mein Praktikum in der Hauptelle von NHASD in der Abteilung “Fundraising and Communication”. Dort arbeitete ich in einem Büro mit zwei Arbeitskolleginnen, Nourhan Elganzory und Sara Kamel, die beide als Fundraising and Communication Officer für die Organisation tätig sind. Deren Aufgabenbereich bestand darin, Kontakte mit anderen Organisationen aufzubauen und zu pflegen, Konzepte für Projekte zu entwerfen und Anträge für die Förderung solcher Projekte (Proposals) zu schreiben. Die ersten Tage war ich damit beschäftigt Unterlagen zu Projekten durchzulesen. Ich las Konzepte, Proposals, Budgetpläne und Emailkorrespondenzen. Somit verschaffte ich mir nicht nur einen genauen Eindruck von der Arbeit eines Fundraising and Communication Officers, sondern erfuhr auch mehr über die diversen Projekte, die NHASD in den letzten Jahren unternahm. Darunter waren die Einrichtung von Kindergärten für Kinder syrischer Flüchtlinge, diverse Weiterbildungskurse für Frauen und die Förderung ökologischer Landwirtschaft in New Valley. Kaum hatte ich alle Unterlagen studiert durfte ich auch schon einen Antrag auf Förderung für eines dieser Projekte verfassen. Es handelte sich um einen Antrag auf Förderung bei einer US-amerikanischen NRO, “One-Days-Wages”. Diese hatten bereits an einem ihnen zugesandten Konzepts Interesse gezeigt und forderten nun die detaillierte Beschreibung dieses Projekts. Die meisten Informationen fand ich in den Unterlagen, die mir bereits vorlagen, und wenn ich etwas nicht wusste, interviewte ich meine Kollegen und Kolleginnen. Es handelte sich um das Projekt “Employee Some to Feed Many” in welchem das Team von NHASD den Ausbau ökologischer Landwirtschaft in New Valley vorantreiben wollte. Ich beschrieb in diesem Antrag die Organisation, die Gegend in der das Projekt verwirklicht werden sollte, die Notwendigkeit und Nutzen des Projekts und die erwarteten Risiken sowie Ergebnisse (Anhang). Mit dieser Aufgabe war ich mehrere Tage beschäftigt, nicht zuletzt weil ich meist Kollegen und Kolleginnen aus verschiedenen Abteilungen aufsuchen musste um Informationen zu erhalten. Mein Bericht enthielt selbstverständlich Lücken, die am Ende von meiner Arbeitskollegin Sara Kamel gefüllt wurden. Meine nächste Aufgabe bestand darin ein Konzept für ein neues Projekt zu verfassen. Der Direktor der Organisation Nady Kamel, erzählte mir von seiner Idee die syrischen Flüchtlinge in Kairo mit mobiler sozialer sowie psychologischer Unterstützung zu versorgen. Dieses Projekt sollte in Zusammenarbeit mit UNICEF entstehen und ich sollte nun ein Konzept verfassen, welches schließlich UNICEF vorgelegt werden sollte. Ein Konzept unterscheidet sich von einem Proposal insofern, dass es kurz gefasst ist und die Idee überzeugend präsentiert wird. Die überzeugenden Argumente sind auch hier die ökonomischen: Kostenverminderung und Effizienz. So sollte ich in diesem Konzept die Partner von UNICEF überzeugen, dass es günstiger und effizienter sei, die Flüchtlinge mit mobilen Einheiten zu unterstützen, statt feste Hilfestellen in den jeweiligen Gebieten einzurichten. In der ersten Version meines Konzepts beschrieb ich die Lage der syrischen Flüchtlinge, welche zunehmend Anfeindungen und Diskriminierung ausgeliefert sind. Dabei erwähnte ich auch die Militärregierung Ägyptens und deren verschärften Visaregulierungen. Ich legte dem Direktor mein Konzept vor und dieser bat mich politische Aussagen zu entfernen. Diese würden zwar zutreffen, aber als NRO müsse man vorsichtig sein. In Ägypten überlebt eine NRO mit politischen Hintergründen nur schwer. Also strich ich, wenn auch mit einem mulmigen Gefühl, alle Passagen mit konkreten Aussagen über die momentane Regierung. Der Direktor zeigte sich schließlich zufrieden mit der finalen Version meines Konzept und sendete es zu meiner Überraschung direkt an seine Kontaktperson von UNICEF weiter. Mit soviel Verantwortung hatte ich als Praktikantin nicht gerechnet. Anschließend arbeitete ich zusammen mit meiner Kollegin Sara Kamel an einem ausführlichen Antrag an „Brot für die Welt“. Hier bestand meine Aufgabe vor allem darin, Hintergrundrecherche zu betreiben, den Antrag Korrektur zu lesen und wenn nötig umzuformulieren. Bei dieser Arbeit erfuhr ich viel über Ägyptens Zahlen zu Bevölkerung, Wirtschaft, Wasserressourcen und Landwirtschaft. Die Statistiken unterscheiden sich allen Bereichen erheblich, und da Erhebungen in Ägypten unter strenger Kontrolle der Regierung stehen, halte ich die meisten Statistiken für unbrauchbar. Die Überarbeitung des Textes bedurfte viel Zeit und Geduld. Vor allem deshalb, da weder ich noch meine Kollegin Englisch als Muttersprache lernten. Es folgte eine ruhige Woche, in welcher ich kleine Hintergrundrecherchen zu möglichen Fördergeldern und Organisationen machte. Zum Beispiel welche Organisationen zusammenarbeiten, welche Schwerpunkte diese haben und wie hoch deren Fördergelder sind. In der letzten Woche durfte ich schließlich meine Kollegin Nourhan Elganzory bei einer „Field Visit“ begleiten. Wir besuchten das informelle Viertel „Batn al-Baraq“ (der Kuhmagen). Es ist eines der vielen informellen Vierteln in Kairo, welches mit rund 12.000 Einwohnern eher klein ist. Die meisten großen informellen Siedlungen bestehen aus roten mehrstöckigen Backsteinhäusern, die für den bloßen Betrachter genauso gut formelle Häuser sein könnten. Batn al-Baraq dagegen ist eine Siedlung, die aus Lehm, Wellblech und Stein erbaut wurde. Somit eine der ärmeren informellen Siedlungen, die eher den üblichen Vorstellung eines Armenviertels gleichen. Wasser und Strom ist vorhanden, aber die Häuser sind klein, meist nur an die zwei Zimmer für eine vierköpfige Familie. Die Menschen, die hier leben, arbeiten entweder als inoffizielle Recyceler¹ und Töpfer. Den meisten Bewohnern mangelt es allerdings an Arbeit und Einkommen. NHASD hat deswegen an Einzelpersonen dieses Viertels, vorwiegend Frauen, Mirkrokredite vergeben. Mit diesen Mirkrokrediten, nicht mehr als 50 bis 100 Euro, waren diese dann in der Lage einen kleinen Laden einzurichten, Ziegen zu kaufen, oder ein kleines Nähgeschäft zu eröffnen. Somit ist wenigstens der „minimale Lebensstandard“, Nahrung und Unterkunft, gesichert. Dies stellt allerdings keine Möglichkeit dar, der Armut zu entkommen. Die Kinder können nicht zur Schule geschickt werden, es gibt weder Krankenversicherung noch sonstige soziale Absicherungen. Rückblick In meinem Praktikum habe ich weitgehende Einblicke in die Arbeit einer NRO bekommen. Ich konnte nicht nur erfahren wie Organisationen aufgebaut und finanziert werden, sondern habe auch eine genaue Vorstellung von der alltäglichen Arbeit bekommen. Mir war zwar bewusst, dass auch NROs einen beträchtlichen Aufwand an administrativer Arbeit betreiben müssen, über das genaue Ausmaß war ich allerdings erstaunt. Mir erschien der administrative Aufwand und somit auch die Kosten, die dieser Bereich verschlang, immens. Um eine genaue Beurteilung abzugeben fehlt mir allerdings der Vergleich mit anderen NROs. Nach Angaben von NHASD gehen 12% des Jahresbudget in die Administration, tatsächlich verschlingt jede einzelne Projekt aber wiederum eigene administrative Kosten. Meine Arbeit selbst war anspruchsvoller als ich erwartet hatte. Ich hatte nicht damit gerechnet eigene Proposals zu verfassen und Einblicke in die Finanzen und andere Unterlagen zu erhalten. Das Verfassen englischer Texte fiel mir anfangs nicht leicht und das selbstständige Einarbeiten in die Projekte anhand von Unterlagen, Beschreibungen, Projektplänen und Budgetaufstellungen verlangte Geduld und Konzentration. Falls ich wieder einmal in einer NRO oder Ähnlichem arbeiten würde, dann jedoch lieber direkt „im Feld“, diese Arbeit liegt mir näher. Dennoch möchte ich die Erfahrungen, die ich gemacht habe und die Dinge, die ich gelernt habe um keinen Preis missen. ¹Die Müllsammler Kairos, die Zabalin, sind Kopten, die den Müll auf Kairos Straßen einsammeln und anschließend in ihren Vierteln trennen und anschließend Rohstoffe wie Plastik und Aluminium weiter verkaufen. Dieses System ist informell und funktioniert bemerkenswert gut.


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