„Herzensgute Menschen und wundervolle neue Freunde“

Praktikumsbericht von Pia bei Chantiers Sociaux Maroccain

30. Juli 2018

Zuallererst اﻟﺳﻼم ﻋﻠﯾﻛم (as-salāmu ʿalaikum)!
Das ist Arabisch und heißt ,Der Friede sei mit Dir/Euch’ und wird in Marokko zur Begrüßung gesagt 🙂

Zuerst möchte ich mich kurz vorstellen, bevor ich ein bisschen über meine Zeit als Freiwillige in Marokko
erzählen möchte. Ich bin Pia, bin 19 Jahre alt und habe im März diesen Jahres mein Abi gemacht. Mein
Wunsch war es schon lange, nach meiner Schulzeit ein soziales Projekt im Ausland zu unterstützen. Ehrlich
gesagt habe ich aber erst sehr spät angefangen, mich über verschiedene Möglichkeiten, Zeit im Ausland zu
verbringen, zu informieren. Umso glücklicher war ich, als ich auf ,,14-km” gestoßen bin, und die Vermittlung zu
der marokkanischen Partnerorganisation ,CSM’ (Chantier Sociaux Maroccain) erfolgreich war!

Ich hatte nun die Möglichkeit, mir ein Projekt auszusuchen, in dem ich als Freiwillige für 2 Monate mitarbeiten
dürfte. Ich war mir sicher, dass ich gerne Zeit mit Kindern verbringen und einige Erfahrungen in diesem Bereich
sammeln möchte und entschied mich daher für ein Praktikum im ,Lalla Meryem Centre’ in Rabat, der
Hauptstadt Marokkos. Das Centre ist ein Kinderheim, wo sich neben Waisen auch um behinderte Kinder jeden Alters gesorgt wird.

Nachdem ich abends am 30. April gut in Marokko angekommen bin und herzlich von meiner Gastfamilie
empfangen wurde, habe ich den nächsten Tag dazu genutzt, meine neue Heimat ein bisschen zu erkunden;
weil es super schwierig ist all die verschiedenen Eindrücke kurz zusammenzufassen, glaube ich, dass ein paar
Bilder es am allerbesten schaffen diese ,,andere Welt” auch kurz vorzustellen, worauf ich am Ende noch
einmal eingehe. 🙂

Dienstag, der 2. Mai, war für mich dann der Tag, an dem ich nun endlich mein Projekt kennenlernen durfte.
Ich war sehr gespannt was mich erwartet und freute mich umso mehr, morgens Hamid, den Leiter von CSM, in
der Stadtmitte treffen. Er zeigte mir den Weg zu meinem Projekt und stellte mich dort Zakaria, dem Leiter des
Centers vor.
Zakaria zeigte mir die verschiedenen Häuser, in denen jeweils unterschiedliche Altersklassen untergebracht
sind, die einzelnen Räume und den Garten, sodass ich einen guten ersten Überblick bekommen konnte.

Nach unserem Rundgang durfte ich mir nun aussuchen, in welchem Haus ich am liebsten helfen wollte. Alle
Erzieherinnen oder besser ,Mamas’ , wie sie von den Kindern genannt werden, denen wir auf unserem ersten
Rundgang begegneten, waren super freundlich, doch ich merkte schnell, dass entgegen meinen Vorstellungen
so gut wie niemand des festangestellten Personals Englisch sprach. Da ich weder Französisch noch Arabisch
verstehen noch sprechen konnte, was hier die geläufigen Sprachen sind, entschied ich mich, mich mit um die
jüngsten Kinder zu kümmern, da ich der Meinung war, dass ich auch ohne die gleiche Sprache zu sprechen, mit
ihnen sehr gut kommunizieren und jede Menge Spaß haben kann, was sich zu meiner Erleichterung auch ganz
schnell bestätigte.

Ein glücklicher Zufall war für mich außerdem, Meryem kennenzulernen, eine Referendarin, die halb
Marokkanerin, halb Deutsche ist, und genau wie ich auch in diesem Haus mitarbeitete und mir einiges erklären
konnte, da sie einerseits schon zwei Monate in dem Projekt verbracht hat und somit die Arbeit und die Kinder
schon sehr gut kennengelernt hatte und andererseits schon erfolgreich ihre Ausbildung zur Erzieherin in
Deutschland absolviert hat.

In den folgenden Tagen habe auch ich einen sehr guten Einblick in den Alltag in ,Lalla Meryem’ bekommen.
Dieser ist grundsätzlich immer ähnlich, aber dennoch bringt jeder Tag neue Aufgaben, Eindrücke und
Erfahrungen mit sich, wie sich bald zeigte.

Ich denke es ist ganz interessant, wenn ich nun einfach mal ein bisschen aus dem Alltag erzähle, den ich
miterlebt habe, damit auch ihr einen guten Eindruck von diesem Projekt bekommen könnt 🙂
Von Zakaria hatte ich erfahren, dass ich von Montag bis Freitag, jeweils von 9:00 bis 14:00 Uhr dort sein sollte.
Also startete mein Tag um 9:00 Uhr:

As ich die Tür des Centres öffne, begrüßt mich der Pförtner freundlich: ,Bonjour Mademoiselle!’ Auch ich
grüße ihn freundlich und lasse mir von meinen nicht vorhandenen Französischkenntnissen nichts anmerken.
Mittlerweile kenne ich mich gut aus und mache mich auf den Weg zu ,meinen Kindern’, doch oft werde ich
schon auf dem Weg dorthin von einigen Kindern, die auf dem Weg zur Schule oder zum Kindergarten sind,
freudig begrüßt. Manchmal bekomme ich auch direkt ein paar Kinder von einer ,Mama’ in die Hand gedrückt
und bringe sie dann zum Kindergarten, der sich ebenfalls auf dem Gelände des Centers befindet.
Wenn ich sie dort abgegeben habe, gehe ich in das Haus, wo die Babys und die jüngsten Kinder wohnen, d.h.
von Neugeborenen bis 7-Jährigen ist jede Altersklasse vertreten.

Hier verbringe ich die meiste Zeit. Wir, damit meine ich um die 10 Mamas, Meryem und mich, beaufsichtigen
eine Gruppe von ca 12-15 Kindern. Der Rest der insgesamt 27 Kinder, die in diesem Haus wohnen, die
,Großen’, verbringen den ganzen Vormittag in der Schule und ich sehe sie nur, wenn sie frei haben oder wenn
sie krank sind und deswegen nicht in die Schule gehen können. So variiert die Zahl der Kinder unserer Gruppe
immer etwas.

Was ich noch nicht erzählt habe ist, dass ungefähr die Hälfte der Kinder, um die wir uns kümmern, von
Autismus oder Trisomie 21 betroffen ist, denn hier in ,Lalla Meryem‘ sind sowohl Kinder mit als auch ohne
Behinderung zuhause und leben zusammen. Am Anfang war ich erstaunt, dass verhältnismäßig viele Mamas
für nur so eine kleine Gruppe Kinder zuständig ist. Doch schon nach kurzer Zeit habe ich gemerkt, dass sich
eine erwachsene Person oft sehr viel Zeit für ein einzelnes Kind nehmen muss, da viele der Kinder
verhaltensauffällig sind oder natürlich andere aufgrund ihrer Behinderung auf umso mehr Unterstützung,
Aufmerksamkeit und Fürsorge angewiesen sind.

Ich komme schließlich in der richtigen Etage an; Die letzten Kinder werden gerade aus dem Bett geholt, die
allermeisten sind aber schon putzmunter und warten mehr oder etwas weniger geduldig auf ihr Frühstück. Es
gibt hier keine festen Essenszeiten, weshalb einigen kleinen Hungrigen die Zeit bis tatsächlich das Frühstück,
das genau wie die anderen Mahlzeiten unten in der hauseigenen Küche zubereitet wird, gebracht wird, an
manchen Tagen eindeutig zu lange dauert.

Doch dafür sind wir ja da 🙂 , denn wir, d.h. alle Freiwilligen, sind hauptsächlich für die Gestaltung der freien
Zeit zwischen den Mahlzeiten verantwortlich. Die Anzahl der Freiwilligen variiert, gerade im Sommer sind sehr
viele aus ganz unterschiedlichen Ländern im Centre engagiert, einige aber nur für ein paar Tage, andere
wenige auch für längere Zeit; alle, die ich dort kennengelernt habe waren super nett und so habe ich neben
Marokko auch noch sehr viel über andere Länder und deren Kulturen erfahren, weil man doch viel Zeit
zusammen verbringt; z.B. habe ich in meinen 2 Monaten Praktikanten aus China, Großbritannien und Amerika
kennengelernt. Allerdings werden alle in unterschiedlichen Häusern eingesetzt, aber sobald man draußen ist,
trifft man dort alle 🙂

Denn nach dem Frühstück machen wir uns bei schönem Wetter immer auf den Weg in den Garten, wo es im
hinteren Bereich ein Klettergerüst und viel Platz zum Spielen gibt. Hier kommen alle Kinder aus allen Häusern
zusammen: sobald ich mich mitten in dem Tohuwabohu, dem Lachen und dem Durcheinander unzähliger
Kinderstimmen befinde, muss ich einfach lächeln und weiß genau, dass ich mich für genau das richtige Projekt
entschieden habe!

Trotzdem ist es nicht immer einfach, seine Augen überall zu haben, denn während die ganz Kleinen auf einer
Decke im Schatten liegen und von ein paar Mamas beaufsichtigt werden, streiten sich einige ältere um den
Platz auf unseren Armen, und wieder andere, die nicht gerade in ein Fußballtunier oder ähnliches involviert
sind, starten auf eigene Faust eine Erkundungstour, um sich ein anderes Haus mal aus der Nähe anzuschauen.
Doch oft bekommen wir viel Unterstützung, denn auf die Jüngeren aufzupassen ist für die älteren Kinder eine
große Freude und super spannend; es wirkt wie eine große Familie in der jeder Verantwortung für die anderen
trägt. So ist man selten allein, wenn es man auf viele Kinder aufpassen soll.

Auffällig ist auch, dass das Gemeinschaftsgefühl, die Mitmenschlichkeit und die Hilfsbereitschaft, generell sehr
stark, wie ich finde, in der marokkanischen Gesellschaft verankert sind. Das ist auch hier in ,Lalla Meryem‘
nicht zu übersehen und gibt mir persönlich immer ein Gefühl von Herzlichkeit und Willkommensein. Das ist
auch in der Öffentlichkeit zu beobachten, denn egal wo jemand Hilfe benötigen könnte, sind sofort mehrere
zur Stelle um ihre Hilfe anzubieten.

An einigen wenigen Tagen, wenn das Wetter nicht so schön ist, verbringen wir den Vormittag auch drinnen, im
Spielraum. Der ist nicht so groß und manchmal etwas überfüllt, was zwischen den Kindern des Öfteren dazu
führt, dass das Spielzeug, was der andere gerade hat, doch viel interessanter scheint als das eigene, was in
manchen Momenten auch echt starke Nerven erfordert. Das ist einerseits sicher normal, anderseits vielleicht
auch dadurch verstärkt, dass dem einzelnen Kind in dem Centre nichts gehört: damit beziehe ich mich nicht
nur auf Spielsachen, sondern auch auf Kleidung oder ein eigenes Bett, alles wird geteilt und getauscht. Zum
Glück überwiegen in Marokko aber eindeutig sonnige, wunderschöne Tage, sodass es keinen Grund gibt, die
Zeit nicht draußen zu verbringen.
Außerdem haben Meryem und ich an ein paar Tagen besondere Aktivitäten geplant, um den Alltag für die
Kinder ein bisschen abwechslungsreicher zu gestalten. Dazu gehörten beispielsweise Bodypainting, Farben-
und Tiernamen lernen, Basteln, ein Basketballtunier und einiges mehr.

Nachdem wir so den Vormittag auf verschiedenste Weisen verbracht haben, gibt es ca. um halb 2/2
Mittagessen, das auch schon sehnlichst erwartet wird. Hier helfen wir wie beim Frühstück wieder das Essen zu
verteilen und die Kleinen zu füttern.
Manchmal (natürlich nicht in der Zeit des Ramadan) werden wir auch von den Mamas, nachdem wir die Kinder
zum Mittagsschlaf ins Bett gebracht haben (damit endet mein Tag im Projekt normalerweise), eingeladen dort
mit ihnen zusammen zu Mittag zu essen. Sie essen das gleiche Gericht wie die Kinder- meistens sehr
traditionell und immer besonders lecker! Dort habe ich zum Beispiel zum ersten Mal miterlebt, wie man
Couscous ,,richtig” isst: generell ist es in Marokko üblich, dass alle, die gemeinsam am Tisch sitzen, auch von
der gleichen Platte essen. Das Gericht wird so serviert, dass es schon sehr beeindruckend aussieht und
schmeckt dann auch mindestens genauso gut!

Couscous gibt es traditionell in Marokko immer freitags und wird in einer riesigen Schale serviert; ganz wichtig
ist, dass man zum Essen niemals seine linke Hand benutzt, da sie als unrein gilt, sondern nur die Rechte (woran
ich mich erstmal gewöhnen musste, da ja zuhause normalerweise Besteck benutzt wird; außer Löffeln gibt es
das hier jedoch wenn nur in Restaurants). Mit der rechten Hand nimmt man sich dann von der Platte und
versucht, aus dem Couscous eine Kugel zu formen, um den Transport des Couscous zum Mund zu
vereinfachen. Doch das ist wirklich nicht einfach und erfordert auf jeden Fall Übung 😀 ! Bei den
marokkanischen Frauen sieht dieser ganze Vorgang doch wahnsinnig leicht aus, doch das ist es definitiv nicht.
So hatten sie auch ihren Spaß daran, mich bei meinem ersten marokkanischen Couscous-essen zu beobachten
(sie haben sich aber sehr viel Mühe gegeben und waren sehr geduldig, es mir beizubringen und mit der Zeit
hat es dann auch tatsächlich funktioniert :)). Richtig ästhetisch sieht hier beim Essen zum Glück niemand aus,
was es für mich auf jeden Fall auch um einiges leichter gemacht hat, mich daran zu gewöhnen- der Tisch sieht
nach einer Mahlzeit aus wie ein Schlachtfeld und den Händen ist absolut anzusehen, wie gut es geschmeckt
hat, aber das ist hier ganz normal! 🙂

Um euch nun ein bisschen an meinen vielen Eindrücken aus Marokko teilhaben zu lassen, habe ich hier nun
noch ein paar Bilder angefügt, die nicht außerhalb des Projektes entstanden sind. Und für alle, die noch
unentschlossen sind: die Vielseitigkeit Marokkos zu erleben lohnt sich so sehr!

Zuerst ein paar Eindrücke aus Rabat: Das ist die Hauptstraße in Rabat, die ich täglich auf dem Weg zu meinem
Projekt überquert habe.

Strand von Rabat (oberes) und die Ruinen Chellah (unteres Foto).

Und die alte Stadtmauer von außen:

Die Medina verbirgt sich hinter der alten Stadtmauer und ist der alte Teil einer jeden Stadt.
Egal, was du gerade suchst, du kannst es sicherlich in einem der unzähligen kleinen Shops finden
(hauptsächlich werden aber Kleidung und Nahrungsmittel angeboten). Tausende Gerüche von Gewürzen und
frisch zubereiteten Speisen, die Stimmen von sehr verkaufsfreudigen Händlern, traditionelle Musik und die
vielen Menschen schaffen eine einzigartige Atmosphäre, für mich einer der schönsten Orte 🙂

 

 

Die Medina von Fes ist besonders bekannt durch das große Viertel, in dem Leder gegerbt und gefärbt wird.
Gerade während des Ramadan (der Fastenmonat im islamischen Kalender; von Sonnenaufgang bis
Sonnenuntergang ist das Essen und Trinken für Muslime verboten, was für ein komplett anderes Leben in
dieser Zeit sorgt- die Nacht wird zum Tag gemacht! ), tummeln sich hier gegen Nachmittag Menschenmassen,
um genügend Speisen für ,,Iftar” (das Frühstück, die erste Mahlzeit nach Sonnenuntergang, gegen 19:30 Uhr)
zu besorgen.

Oft habe ich Iftar am Strand verbracht, was wirklich eine einzigartige Erfahrung und unbeschreiblich schön ist!
Oder wir haben im Sprachencentre nach dem Arabischkurs, der mir einen tollen ersten Einblick in die
arabische, sehr komplizierte Sprache gegeben hat, und anschließendem gemeinsamen Kochen (übrigens: ich
bin die 2. von links auf dem unteren Bild) viele sehr lustige, lange Abende verbracht.

Die Wochenenden, an denen ich ja nicht im Projekt eingebunden war, habe ich meistens zum Reisen
zusammen mit Freunden genutzt, um so möglichst viel von Marokko zu sehen, denn es gibt wirklich so viele
unterschiedliche und absolut sehenswerte Orte! Hier ging es zum Beispiel nach Chefchauen, die auch als ,blaue
Stadt’ bekannt ist, …

…und den nahegelegenen Wasserfällen Akchour:

Zuallerletzt möchte ich euch nun noch die Hassan-II-Moschee in Casablanca zeigen, da sie einerseits die größte
Moschee Afrikas ist und anderseits der Islam in Marokko einfach allgegenwärtig und der wichtigste Teil des
Lebens der Menschen darstellt.

Ich hoffe ich habe so ein bisschen dazu beitragen können, dass ihr euch Marokko etwas besser vorstellen
könnt.
Nun, wo ich auf diese 2 Monate zurückblicke, kann ich definitiv sagen, dass ich eine Menge über die Arbeit und
den Umgang mit Kindern dazugelernt habe und ich mich immer wieder für genau diese Zeit entscheiden
würde!
Ich habe eine so fremde und gleichzeitig wahnsinnig interessante, traditionsreiche Kultur kennengelernt,
herzensgute Menschen und wundervolle neue Freunde gefunden, die mich diese Zeit wohl nie vergessen
lassen werden!
Ich kann so eine gute Erfahrung nur weiterempfehlen!

Eure Pia

***

Die von uns wiedergegebenen Berichte von durch uns vermittelte Praktikant/innen spiegeln nicht notwendigerweise die Sichtweise von 14km e.V. oder unseren Partnern wider.


1. Calligraffiti – Workshop Projektkoordinator*in gesucht: Film- und Diskussionsreihe „14km de:kolonial“
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