„Unsere Geduld hat bald ein Ende!“
Der vergessene Widerstandskampf der Sahrawis in der letzten Kolonie Afrikas

In der Westsahara kämpft das Volk der Sahrawis seit Jahrzehnten um seine politische Unabhängigkeit von Marokko. Gegen Vertreibungen und unzählige Menschenrechtsverletzungen durch die marokkanischen Besatzer wehrten sich die Sahrawis erst militärisch, seit einem Friedensschluss 1991 allerdings durch friedlichen Widerstand. Dass der Konflikt um die letzte Kolonie Afrikas international kaum in der Öffentlichkeit diskutiert wird, war ein Beweggrund, ihn zum Thema des fünften Abends der 14km Film- und Diskussionsreihe zu machen.
Mit der Dokumentation „LIFE IS WAITING – Referendum and Resistance in Western Sahara“ gibt die brasilianische Filmemacherin und politische Aktivistin Iara Lee dem Wüstenvolk der Sahrawis und ihrem fast vergessenen Kampf um nationale Selbstbestimmung eine Stimme. Der Film blickt auf die Geschichte des über 40 Jahre andauernden Konflikts im nordwestlichen Afrika und zeigt die Lebensumstände und den gewaltlosen Widerstand der Bewohner Westsaharas.
Als sich die Kolonialmacht Spanien 1975 aus dem Gebiet zurückzieht, marschieren marokkanische und mauretanische Truppen ein, um das rohstoffreiche Territorium völkerrechtswidrig zu besetzen. Wenig später ruft die sahrawische Befreiungsbewegung Frente Polisario die unabhängige „Demokratische Arabische Republik Sahara“ aus und es kommt zum Krieg. Mauretanien zieht sich 1979 zurück, doch Marokko gibt seine Gebietsansprüche nicht auf. Zehntausende Sahrawis sind gezwungen, vor den marokkanischen Napalm- und Phosphorbomben ins algerische Exil zu fliehen, wo sie zum Teil bis heute in Flüchtlingslagern leben und durch eine über 2.700 km lange verminte Maueranlage abgeschottet sind.
Obwohl es 1991 offiziell zum Waffenstillstand kommt, ist der Konflikt alles andere als gelöst. Die von den Vereinten Nationen eingesetzte Friedensmission MINURSO, die den Waffenstillstand und die Durchführung eines Referendums sicherstellen soll, ist gescheitert. Das Referendum ist bis heute ausgeblieben. Stattdessen nimmt die alltägliche Gewalt der marokkanischen Truppen gegen die Sahrawis zu. Doch diese wehren sich.
Der Film lässt die vielen sahrawischen Aktivisten zu Wort kommen, die durch Kunst und politische Aktionen ihren Widerstand ausdrücken. So wie der junge Rapper Flitoox Craizy. Selbstbewusst rappt er in die Kamera, singt von Freiheit und Frieden. Obwohl er von der marokkanischen Polizei schlimm gefoltert wurde, setzt er sich weiter für die Rechte seines Volkes ein. Ebenso Aminatou Haidar, die wohl bekannteste sahrawische Menschenrechtsaktivistin. Sie wurde bei einer Demonstration verhaftet und über vier Jahre lang in einem marokkanischen Gefängnis gefoltert. „Meine Kinder können ohne Eltern aufwachsen, aber nicht ohne Würde“, begründet sie ihren Kampf für Gerechtigkeit und Unabhängigkeit ihrer Heimat.
Der Film ist der kürzlich verstorbenen, sahrawischen Sängerin Mariem Hassan gewidmet, die „Stimme der Sahara“. Sie begleitete ihr Volk über Jahrzehnte mit Liedern über den Widerstand, Geschichten vom Alltag im Exil und der Identität der Sahrawis. Sie ist ein Beispiel dafür, wie kunstvoll sich politischer Widerstand ausdrücken kann und welch starke Rolle die sahrawischen Frauen im Kampf gegen die Besatzung ihres Heimatlandes einnehmen. Im Film wird sehr deutlich, dass die Sahrawis ein sehr stolzes Volk sind, dessen kollektive Identität sich stark auf ihren Widerstand gegen die Besatzer gründet.
Saleh Mustapha ist Aktivist aus Westsahara. Geboren im Flüchtlingslager Smara in der algerischen Wüste, lebt er heute als Student in Berlin. Er betont, dass die Vereinten Nationen ihre Verantwortung in der Konfliktlösung nicht wahrnehmen würden. Dass die sahrawischen Flüchtlingscamps in Algerien von UNHCR und vom Word Food Programme versorgt werden, solle nicht darüber hinwegtäuschen, dass für die Sahrawis nicht einmal fundamentale Menschenrechte gelten würden. Internationale Menschenrechtsorganisationen beklagen seit Jahren, dass Sahrawis Misshandlungen, Folter und Tod in Gefängnissen sowie der Gefahr durch Detonation von Landminen ausgesetzt seien. Dazu kommen viele Berichte über willkürliche Verhaftungen von Aktivisten, Einschränkungen der Versammlungs- und Rede- sowie der Bewegungsfreiheit. Saleh Mustapha spricht außerdem die hohe Zahl an verschwundenen Personen und politischen Gefangenen in marokkanischen Gefängnissen an. Da die Friedensmission MINURSO kein Mandat zur Überwachung der Menschenrechte habe, blieben die Vergehen der marokkanischen Sicherheitskräfte ungestraft.


Wir bedanken uns bei unseren Gästen Bettina Semmer und Saleh Mustapha, die mit ihren spannenden und persönlichen Eindrücken zu einer sehr interessanten Veranstaltung über die Situation in Westsahara beigetragen haben.
Die 14km Film- und Diskussionsreihe wird 2015 mit Haushaltsmitteln des Landes Berlin – Landesstelle für Entwicklungszusammenarbeit – gefördert.
Weitere Film- und Diskussionsabende sind an folgenden Terminen in Planung:
28. Oktober / 18. November / 9. Dezember
Wir bedanken uns für die Unterstützung:
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