Praktikum bei 14km
„White Saviours“ in Aktion? Ein kritischer Blick auf internationale Freiwilligendienste aus drei Perspektiven
Am dritten de:kolonial Film-und Diskussionsabend am 11. September warfen wir einen (auch selbst-)kritischen Blick auf internationale Freiwilligendienste und setzten uns mit dem Phänomen des "White Saviourism" auseinander. Zum Einstieg zeigten wir die Dokumentation "H.O.P.E. was here" von Mark Denega. Der Film begleitet junge Studierende eines Bostoner Colleges, die an einem einwöchigen Freiwilligenprogramm ihrer Hochschule in Peru teilnehmen und dort in einer Schule und einer Organisation, die Kinder mit Behinderungen betreut, eingesetzt werden. Damit wird ein sicherlich extremes Beispiel eines Freiwilligeneinsatzes gezeigt, denn die kurze Zeit des Aufenthalts steigert die Absurdität des Unterfangens erheblich. Dennoch werden viele problematische Aspekte augenscheinlich, die für Freiwilligendienste insgesamt relevant sind und in der Folge diskutiert wurden. Drei Speakerinnnen brachten im Anschluss an das Filmscreening ihre Perspektiven auf die Problematik ein. Camila Ardila Oviedo konnte als Teilnehmerin eines Forschungsprojekts des ASA Programms in Brasilien über ihre dortigen Erfahrungen als Freiwillige erzählen. Caroline Bunge, Vorstandsmitglied von 14,4 km e.V., berichtete über ihre Erfahrungen in der Vermittlungsarbeit für den Verein, über den Freiwilligendienste in die MENA-Region vermittelt werden. Khaoula Behi hingegen teilte mit uns ihre Erfahrungen mit westlichen Praktika und Freiwilligendienstlern, die in Ihrem oder anderen Unternehmen in Tunesien eingesetzt wurden. v.l.n.r.: Caroline Bunge, Khaoula Behi, Moderatorin Maissa Lihedheb, Camila Ardila Oviedo Als eines der Hauptthemen des Abends wurde diskutiert, ob einseitige Freiwilligendienste eine Art White Savior Komplex oder gar weiße Überlegenheit manifestierten. Hierbei waren sich alle auf dem Podium darüber einig, dass durch den einseitigen Austausch letztlich nur privilegierte junge Menschen aus der westlichen Welt einen Einblick in die Lebenswelt anderer Länder bekommen, während der Nutzen für die empfangenden Organisationen und lokalen Gemeinden marginal ist. Es wurde somit die Frage aufgeworfen, wer die eigentlichen Gewinner*innen eines kurzen oder auch langen Aufenthalts als Freiwillige*r in der MENA- Region sind. Caroline beantwortete die Frage, ob sie das Freiwilligenprogramm von 14,4km selbst kritisch sehe damit, dass auch sie den einseitigen Austausch als problematisch empfinde. Versuche des Vereins, Leuten aus der MENA-Region ein Praktikum in Deutschland zu ermöglichen, seien bisher jedoch aufgrund der Visa-Bestimmungen oder aus finanziellen Gründen gescheitert. Wichtig im aktuellen Verfahren sei die Abstimmung mit den Partner-Organisationen und die Grundhaltung, mit der Praktikant*innen in die Region gingen: eben nicht als Retter*innen, die vor Ort Veränderung herbeiführen, sondern als Lernende, die von ihrem Aufenthalt profitieren. Caroline Bunge, Foto: Susanne Kappe Auch aus dem Publikum meldeten sich Stimmen, die aus eigener Erfahrung einen kritischen Blick auf Freiwilligendienste gewonnen hatten. Ein Besucher erzählte von seinem Aufenthalt in Ghana und kritisierte im Nachhinein, dass er und andere bereits mit nur 18 Jahren ohne Ausbildung eine Schulklasse unterrichten sollten. Dass der umgekehrte Fall in Deutschland oder anderswo in Europa keinesfalls möglich wäre, verdeutlicht die Problematik. Es deutet darauf hin, dass weißes Überlegenheitsdenken und ein White Savior Komplex existieren, die es ermöglichen, dass unqualifizierte junge Menschen in Ländern der MENA-Region und anderen Ländern des globalen Südens auf Positionen arbeiten, die ihnen in ihren Herkunftsländern nicht zustehen würden. Somit wird ein Überlegenheit der Weißen suggeriert und ein solches Überlegenheitsdenken legitimiert. Allerdings gab es auch positive Berichte über den Austausch, wie zum Beispiel Khaoula Behi sagte: “Das Schöne an so einem Austausch ist, dass man verschiedene Kulturen kennenlernt.” Sie erzählte auch, dass sie selbst mal die andere Rolle eingenommen hat, als sie für die Arbeit nach Nigeria reiste und dort als Weiße wahrgenommen wurde. “Vor allem war es für mich sehr lehrreich, als mich die Einheimischen nach Rat gefragt haben und zu mir aufschauten wie in etwa ‘Sie ist doch weiß, sie kann uns belehren’. Ich war überwältigt aber auch nicht überrascht, weil White Supremacy einfach so in unsere Welt integriert ist”. Khaoula Behi, Foto: Susanne Kappe Insgesamt zeigte die Diskussion an dem Abend, dass das Thema Freiwilligendienste und das damit zusammenhängende Phänomen des White Saviorism einer stärkeren kritischen öffentlichen Auseinandersetzung bedarf. Denn im Gegensatz zu den Teilnehmenden und Gästen an diesem Abend, die sehr selbstkritisch und reflektiert über die Problematik sprachen, ist die öffentliche Wahrnehmung von Freiwilligendiensten noch immer von einem Bild geprägt, für das selbstloser Einsatz und die Aufklärung vermeintlich rückständiger Kulturen zentral sind. Dazu gehören auch die unzähligen Bilder, die weiße Menschen umringt von strahlenden schwarzen Kindern zeigen und die sowohl in den sozialen als auch klassischen Medien omnipräsent sind. Trotzdem ergab sich aus der Diskussion nicht die Schlussfolgerung, dass Freiwilligendienste gänzlich abzuschaffen seien. Ein positiver Effekt dieser Auslandsaufenthalte ist, dass junge oder auch ältere Menschen aus ihrer bekannten Umgebung herauskommen und einen Teil der Vielfalt der Welt kennenlernen, indem sie sich in ein neues Umfeld und eine fremde Kultur einfinden. Dabei können Empathie und Offenheit geschult und die rein nationale, eurozentristische oder westliche Perspektive auf die Welt und die globalen Herausforderungen durch einen anderen lokalen Blickwinkel ergänzt werden. Diesen positiven Effekt gilt es zu fördern und die Menschen, die sich auf die Reise begeben, entsprechend kritisch vorzubereiten. Im Kern geht es somit vielmehr um eine Lernreise für Menschen aus Deutschland oder dem globalen Norden, die sich vor Ort in der Rolle eines Gastes, Lernenden und Beschenkten befinden, als um einen Freiwilligendienst, in dem der*die Freiwillige sich für die lokalen Gemeinden einsetzt. Dieses Framing erlaubt eine konstruktive kritische Einordnung der Freiwilligendienste und kann eine entsprechende Umsetzung leiten. Der Film- und Diskussionsabend der Reihe 14km de:kolonial wurde gefördert von:
„Herzensgute Menschen und wundervolle neue Freunde“
Praktikumsbericht von Pia bei Chantiers Sociaux Maroccain
Zuallererst اﻟﺳﻼم ﻋﻠﯾﻛم (as-salāmu ʿalaikum)! Das ist Arabisch und heißt ,Der Friede sei mit Dir/Euch’ und wird in Marokko zur Begrüßung gesagt :-) Zuerst möchte ich mich kurz vorstellen, bevor ich ein bisschen über meine Zeit als Freiwillige in Marokko erzählen möchte. Ich bin Pia, bin 19 Jahre alt und habe im März diesen Jahres mein Abi gemacht. Mein Wunsch war es schon lange, nach meiner Schulzeit ein soziales Projekt im Ausland zu unterstützen. Ehrlich gesagt habe ich aber erst sehr spät angefangen, mich über verschiedene Möglichkeiten, Zeit im Ausland zu verbringen, zu informieren. Umso glücklicher war ich, als ich auf ,,14-km” gestoßen bin, und die Vermittlung zu der marokkanischen Partnerorganisation ,CSM’ (Chantier Sociaux Maroccain) erfolgreich war! Ich hatte nun die Möglichkeit, mir ein Projekt auszusuchen, in dem ich als Freiwillige für 2 Monate mitarbeiten dürfte. Ich war mir sicher, dass ich gerne Zeit mit Kindern verbringen und einige Erfahrungen in diesem Bereich sammeln möchte und entschied mich daher für ein Praktikum im ,Lalla Meryem Centre’ in Rabat, der Hauptstadt Marokkos. Das Centre ist ein Kinderheim, wo sich neben Waisen auch um behinderte Kinder jeden Alters gesorgt wird. Nachdem ich abends am 30. April gut in Marokko angekommen bin und herzlich von meiner Gastfamilie empfangen wurde, habe ich den nächsten Tag dazu genutzt, meine neue Heimat ein bisschen zu erkunden; weil es super schwierig ist all die verschiedenen Eindrücke kurz zusammenzufassen, glaube ich, dass ein paar Bilder es am allerbesten schaffen diese ,,andere Welt” auch kurz vorzustellen, worauf ich am Ende noch einmal eingehe. :) Dienstag, der 2. Mai, war für mich dann der Tag, an dem ich nun endlich mein Projekt kennenlernen durfte. Ich war sehr gespannt was mich erwartet und freute mich umso mehr, morgens Hamid, den Leiter von CSM, in der Stadtmitte treffen. Er zeigte mir den Weg zu meinem Projekt und stellte mich dort Zakaria, dem Leiter des Centers vor. Zakaria zeigte mir die verschiedenen Häuser, in denen jeweils unterschiedliche Altersklassen untergebracht sind, die einzelnen Räume und den Garten, sodass ich einen guten ersten Überblick bekommen konnte. Nach unserem Rundgang durfte ich mir nun aussuchen, in welchem Haus ich am liebsten helfen wollte. Alle Erzieherinnen oder besser ,Mamas’ , wie sie von den Kindern genannt werden, denen wir auf unserem ersten Rundgang begegneten, waren super freundlich, doch ich merkte schnell, dass entgegen meinen Vorstellungen so gut wie niemand des festangestellten Personals Englisch sprach. Da ich weder Französisch noch Arabisch verstehen noch sprechen konnte, was hier die geläufigen Sprachen sind, entschied ich mich, mich mit um die jüngsten Kinder zu kümmern, da ich der Meinung war, dass ich auch ohne die gleiche Sprache zu sprechen, mit ihnen sehr gut kommunizieren und jede Menge Spaß haben kann, was sich zu meiner Erleichterung auch ganz schnell bestätigte. Ein glücklicher Zufall war für mich außerdem, Meryem kennenzulernen, eine Referendarin, die halb Marokkanerin, halb Deutsche ist, und genau wie ich auch in diesem Haus mitarbeitete und mir einiges erklären konnte, da sie einerseits schon zwei Monate in dem Projekt verbracht hat und somit die Arbeit und die Kinder schon sehr gut kennengelernt hatte und andererseits schon erfolgreich ihre Ausbildung zur Erzieherin in Deutschland absolviert hat. In den folgenden Tagen habe auch ich einen sehr guten Einblick in den Alltag in ,Lalla Meryem’ bekommen. Dieser ist grundsätzlich immer ähnlich, aber dennoch bringt jeder Tag neue Aufgaben, Eindrücke und Erfahrungen mit sich, wie sich bald zeigte. Ich denke es ist ganz interessant, wenn ich nun einfach mal ein bisschen aus dem Alltag erzähle, den ich miterlebt habe, damit auch ihr einen guten Eindruck von diesem Projekt bekommen könnt :) Von Zakaria hatte ich erfahren, dass ich von Montag bis Freitag, jeweils von 9:00 bis 14:00 Uhr dort sein sollte. Also startete mein Tag um 9:00 Uhr: As ich die Tür des Centres öffne, begrüßt mich der Pförtner freundlich: ,Bonjour Mademoiselle!’ Auch ich grüße ihn freundlich und lasse mir von meinen nicht vorhandenen Französischkenntnissen nichts anmerken. Mittlerweile kenne ich mich gut aus und mache mich auf den Weg zu ,meinen Kindern’, doch oft werde ich schon auf dem Weg dorthin von einigen Kindern, die auf dem Weg zur Schule oder zum Kindergarten sind, freudig begrüßt. Manchmal bekomme ich auch direkt ein paar Kinder von einer ,Mama’ in die Hand gedrückt und bringe sie dann zum Kindergarten, der sich ebenfalls auf dem Gelände des Centers befindet. Wenn ich sie dort abgegeben habe, gehe ich in das Haus, wo die Babys und die jüngsten Kinder wohnen, d.h. von Neugeborenen bis 7-Jährigen ist jede Altersklasse vertreten. Hier verbringe ich die meiste Zeit. Wir, damit meine ich um die 10 Mamas, Meryem und mich, beaufsichtigen eine Gruppe von ca 12-15 Kindern. Der Rest der insgesamt 27 Kinder, die in diesem Haus wohnen, die ,Großen’, verbringen den ganzen Vormittag in der Schule und ich sehe sie nur, wenn sie frei haben oder wenn sie krank sind und deswegen nicht in die Schule gehen können. So variiert die Zahl der Kinder unserer Gruppe immer etwas. Was ich noch nicht erzählt habe ist, dass ungefähr die Hälfte der Kinder, um die wir uns kümmern, von Autismus oder Trisomie 21 betroffen ist, denn hier in ,Lalla Meryem‘ sind sowohl Kinder mit als auch ohne Behinderung zuhause und leben zusammen. Am Anfang war ich erstaunt, dass verhältnismäßig viele Mamas für nur so eine kleine Gruppe Kinder zuständig ist. Doch schon nach kurzer Zeit habe ich gemerkt, dass sich eine erwachsene Person oft sehr viel Zeit für ein einzelnes Kind nehmen muss, da viele der Kinder verhaltensauffällig sind oder natürlich andere aufgrund ihrer Behinderung auf umso mehr Unterstützung, Aufmerksamkeit und Fürsorge angewiesen sind. Ich komme schließlich in der richtigen Etage an; Die letzten Kinder werden gerade aus dem Bett geholt, die allermeisten sind aber schon putzmunter und warten mehr oder etwas weniger geduldig auf ihr Frühstück. Es gibt hier keine festen Essenszeiten, weshalb einigen kleinen Hungrigen die Zeit bis tatsächlich das Frühstück, das genau wie die anderen Mahlzeiten unten in der hauseigenen Küche zubereitet wird, gebracht wird, an manchen Tagen eindeutig zu lange dauert. Doch dafür sind wir ja da :) , denn wir, d.h. alle Freiwilligen, sind hauptsächlich für die Gestaltung der freien Zeit zwischen den Mahlzeiten verantwortlich. Die Anzahl der Freiwilligen variiert, gerade im Sommer sind sehr viele aus ganz unterschiedlichen Ländern im Centre engagiert, einige aber nur für ein paar Tage, andere wenige auch für längere Zeit; alle, die ich dort kennengelernt habe waren super nett und so habe ich neben Marokko auch noch sehr viel über andere Länder und deren Kulturen erfahren, weil man doch viel Zeit zusammen verbringt; z.B. habe ich in meinen 2 Monaten Praktikanten aus China, Großbritannien und Amerika kennengelernt. Allerdings werden alle in unterschiedlichen Häusern eingesetzt, aber sobald man draußen ist, trifft man dort alle :) Denn nach dem Frühstück machen wir uns bei schönem Wetter immer auf den Weg in den Garten, wo es im hinteren Bereich ein Klettergerüst und viel Platz zum Spielen gibt. Hier kommen alle Kinder aus allen Häusern zusammen: sobald ich mich mitten in dem Tohuwabohu, dem Lachen und dem Durcheinander unzähliger Kinderstimmen befinde, muss ich einfach lächeln und weiß genau, dass ich mich für genau das richtige Projekt entschieden habe! Trotzdem ist es nicht immer einfach, seine Augen überall zu haben, denn während die ganz Kleinen auf einer Decke im Schatten liegen und von ein paar Mamas beaufsichtigt werden, streiten sich einige ältere um den Platz auf unseren Armen, und wieder andere, die nicht gerade in ein Fußballtunier oder ähnliches involviert sind, starten auf eigene Faust eine Erkundungstour, um sich ein anderes Haus mal aus der Nähe anzuschauen. Doch oft bekommen wir viel Unterstützung, denn auf die Jüngeren aufzupassen ist für die älteren Kinder eine große Freude und super spannend; es wirkt wie eine große Familie in der jeder Verantwortung für die anderen trägt. So ist man selten allein, wenn es man auf viele Kinder aufpassen soll. Auffällig ist auch, dass das Gemeinschaftsgefühl, die Mitmenschlichkeit und die Hilfsbereitschaft, generell sehr stark, wie ich finde, in der marokkanischen Gesellschaft verankert sind. Das ist auch hier in ,Lalla Meryem‘ nicht zu übersehen und gibt mir persönlich immer ein Gefühl von Herzlichkeit und Willkommensein. Das ist auch in der Öffentlichkeit zu beobachten, denn egal wo jemand Hilfe benötigen könnte, sind sofort mehrere zur Stelle um ihre Hilfe anzubieten. An einigen wenigen Tagen, wenn das Wetter nicht so schön ist, verbringen wir den Vormittag auch drinnen, im Spielraum. Der ist nicht so groß und manchmal etwas überfüllt, was zwischen den Kindern des Öfteren dazu führt, dass das Spielzeug, was der andere gerade hat, doch viel interessanter scheint als das eigene, was in manchen Momenten auch echt starke Nerven erfordert. Das ist einerseits sicher normal, anderseits vielleicht auch dadurch verstärkt, dass dem einzelnen Kind in dem Centre nichts gehört: damit beziehe ich mich nicht nur auf Spielsachen, sondern auch auf Kleidung oder ein eigenes Bett, alles wird geteilt und getauscht. Zum Glück überwiegen in Marokko aber eindeutig sonnige, wunderschöne Tage, sodass es keinen Grund gibt, die Zeit nicht draußen zu verbringen. Außerdem haben Meryem und ich an ein paar Tagen besondere Aktivitäten geplant, um den Alltag für die Kinder ein bisschen abwechslungsreicher zu gestalten. Dazu gehörten beispielsweise Bodypainting, Farben- und Tiernamen lernen, Basteln, ein Basketballtunier und einiges mehr. Nachdem wir so den Vormittag auf verschiedenste Weisen verbracht haben, gibt es ca. um halb 2/2 Mittagessen, das auch schon sehnlichst erwartet wird. Hier helfen wir wie beim Frühstück wieder das Essen zu verteilen und die Kleinen zu füttern. Manchmal (natürlich nicht in der Zeit des Ramadan) werden wir auch von den Mamas, nachdem wir die Kinder zum Mittagsschlaf ins Bett gebracht haben (damit endet mein Tag im Projekt normalerweise), eingeladen dort mit ihnen zusammen zu Mittag zu essen. Sie essen das gleiche Gericht wie die Kinder- meistens sehr traditionell und immer besonders lecker! Dort habe ich zum Beispiel zum ersten Mal miterlebt, wie man Couscous ,,richtig” isst: generell ist es in Marokko üblich, dass alle, die gemeinsam am Tisch sitzen, auch von der gleichen Platte essen. Das Gericht wird so serviert, dass es schon sehr beeindruckend aussieht und schmeckt dann auch mindestens genauso gut! Couscous gibt es traditionell in Marokko immer freitags und wird in einer riesigen Schale serviert; ganz wichtig ist, dass man zum Essen niemals seine linke Hand benutzt, da sie als unrein gilt, sondern nur die Rechte (woran ich mich erstmal gewöhnen musste, da ja zuhause normalerweise Besteck benutzt wird; außer Löffeln gibt es das hier jedoch wenn nur in Restaurants). Mit der rechten Hand nimmt man sich dann von der Platte und versucht, aus dem Couscous eine Kugel zu formen, um den Transport des Couscous zum Mund zu vereinfachen. Doch das ist wirklich nicht einfach und erfordert auf jeden Fall Übung :D ! Bei den marokkanischen Frauen sieht dieser ganze Vorgang doch wahnsinnig leicht aus, doch das ist es definitiv nicht. So hatten sie auch ihren Spaß daran, mich bei meinem ersten marokkanischen Couscous-essen zu beobachten (sie haben sich aber sehr viel Mühe gegeben und waren sehr geduldig, es mir beizubringen und mit der Zeit hat es dann auch tatsächlich funktioniert :)). Richtig ästhetisch sieht hier beim Essen zum Glück niemand aus, was es für mich auf jeden Fall auch um einiges leichter gemacht hat, mich daran zu gewöhnen- der Tisch sieht nach einer Mahlzeit aus wie ein Schlachtfeld und den Händen ist absolut anzusehen, wie gut es geschmeckt hat, aber das ist hier ganz normal! :) Um euch nun ein bisschen an meinen vielen Eindrücken aus Marokko teilhaben zu lassen, habe ich hier nun noch ein paar Bilder angefügt, die nicht außerhalb des Projektes entstanden sind. Und für alle, die noch unentschlossen sind: die Vielseitigkeit Marokkos zu erleben lohnt sich so sehr! Zuerst ein paar Eindrücke aus Rabat: Das ist die Hauptstraße in Rabat, die ich täglich auf dem Weg zu meinem Projekt überquert habe. Strand von Rabat (oberes) und die Ruinen Chellah (unteres Foto). Und die alte Stadtmauer von außen: Die Medina verbirgt sich hinter der alten Stadtmauer und ist der alte Teil einer jeden Stadt. Egal, was du gerade suchst, du kannst es sicherlich in einem der unzähligen kleinen Shops finden (hauptsächlich werden aber Kleidung und Nahrungsmittel angeboten). Tausende Gerüche von Gewürzen und frisch zubereiteten Speisen, die Stimmen von sehr verkaufsfreudigen Händlern, traditionelle Musik und die vielen Menschen schaffen eine einzigartige Atmosphäre, für mich einer der schönsten Orte :) Die Medina von Fes ist besonders bekannt durch das große Viertel, in dem Leder gegerbt und gefärbt wird. Gerade während des Ramadan (der Fastenmonat im islamischen Kalender; von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang ist das Essen und Trinken für Muslime verboten, was für ein komplett anderes Leben in dieser Zeit sorgt- die Nacht wird zum Tag gemacht! ), tummeln sich hier gegen Nachmittag Menschenmassen, um genügend Speisen für ,,Iftar” (das Frühstück, die erste Mahlzeit nach Sonnenuntergang, gegen 19:30 Uhr) zu besorgen. Oft habe ich Iftar am Strand verbracht, was wirklich eine einzigartige Erfahrung und unbeschreiblich schön ist! Oder wir haben im Sprachencentre nach dem Arabischkurs, der mir einen tollen ersten Einblick in die arabische, sehr komplizierte Sprache gegeben hat, und anschließendem gemeinsamen Kochen (übrigens: ich bin die 2. von links auf dem unteren Bild) viele sehr lustige, lange Abende verbracht. Die Wochenenden, an denen ich ja nicht im Projekt eingebunden war, habe ich meistens zum Reisen zusammen mit Freunden genutzt, um so möglichst viel von Marokko zu sehen, denn es gibt wirklich so viele unterschiedliche und absolut sehenswerte Orte! Hier ging es zum Beispiel nach Chefchauen, die auch als ,blaue Stadt’ bekannt ist, ... ...und den nahegelegenen Wasserfällen Akchour: Zuallerletzt möchte ich euch nun noch die Hassan-II-Moschee in Casablanca zeigen, da sie einerseits die größte Moschee Afrikas ist und anderseits der Islam in Marokko einfach allgegenwärtig und der wichtigste Teil des Lebens der Menschen darstellt. Ich hoffe ich habe so ein bisschen dazu beitragen können, dass ihr euch Marokko etwas besser vorstellen könnt. Nun, wo ich auf diese 2 Monate zurückblicke, kann ich definitiv sagen, dass ich eine Menge über die Arbeit und den Umgang mit Kindern dazugelernt habe und ich mich immer wieder für genau diese Zeit entscheiden würde! Ich habe eine so fremde und gleichzeitig wahnsinnig interessante, traditionsreiche Kultur kennengelernt, herzensgute Menschen und wundervolle neue Freunde gefunden, die mich diese Zeit wohl nie vergessen lassen werden! Ich kann so eine gute Erfahrung nur weiterempfehlen! Eure Pia *** Die von uns wiedergegebenen Berichte von durch uns vermittelte Praktikant/innen spiegeln nicht notwendigerweise die Sichtweise von 14km e.V. oder unseren Partnern wider.
Aktiv für Meinungsfreiheit im Libanon
Bericht vom Praktikum bei MARCH in Beirut
MARCH ist eine lokale Nichtregierungsorganisation mit Sitz in Beirut, Libanon. Tätig sind im Kern etwa 10 Mitarbeiter, nach Bedarf der jeweiligen Projekte werden Projektkoordinatoren und weitere Angestellte für die Dauer des Projekts eingestellt. Zusätzlich unterstützen Praktikanten die Arbeit. Das kleine Team bewirkt eine flache Hierarchie, an deren Spitze die Mitbegründerin und Generalkoordinatorin steht, welche als Hauptverantwortliche in alle Prozesse eingebunden ist. MARCH widmet sich seit der Gründung 2011 vor vor allem der Meinungsfreiheit und setzt sich für Frauenrechte und Deradikalisierung von Jugendlichen ein. Dahinter steht der Gedanke, eine tolerante und liberale libanesische Zivilgesellschaft zu schaffen. Während meines Praktikums kamen mir verschiedenste Aufgaben zu, hauptsächlich im Büro, wo ich unter anderem bei der Erstellung von Berichten und Förderanträgen helfen konnte. Zudem hatte ich die Möglichkeit, bei einigen Meetings teilzunehmen, um Notizen zu machen und die laufenden Projekte zu besuchen oder zu begleiten. Ich habe mir von diesem Praktikum erwartet, generell einen Einblick in die Arbeit einer NGO zu bekommen. Von Interesse war für mich auch, dass es sich um eine originär libanesische NGO handelt, die vielleicht eine andere Position zum eigenen Land und andere Zugänge hat als internationale Organisationen, die ihre Interessen im Libanon vertreten. Das Praktikum soll mir sowohl als Berufserfahrung dienen als auch zur Orientierung in meinem zukünftigen Berufsfeld beitragen. Zu Beginn des Praktikums sollte ich verstärkt am Social Media Auftritt mitarbeiten, der ein essentielles Mittel der NGO ist, um ihre Außenwirkung und die Reichweite der Projekte zu vergrößern. Neben gelegentlichen kleinen Aufgaben wie Fotos auswählen oder Texte für Posts vorschlagen, war ich aber kaum in diesem Bereich tätig. Während meines Praktikums konnte ich sowohl qualifizierte Aufgaben übernehmen als auch in eher hospitierender Form meine Kollegen im Außendienst begleiten und die Projekte besichtigen. Anfangs war mehr Arbeit zu bewältigen als gegen Ende, wo wenige Aufgaben anfielen und zusätzliche Hilfe durch eine zweite Praktikantin vorhanden war. In den ersten Wochen habe ich an englischsprachigen Meetings mit einem Botschafter, anderen NGOs und mit einem potentiellen Förderer teilgenommen und Notizen geschrieben. Später konnte ich am Förderantrag vor seiner Überarbeitung mitschreiben und nach Abgabe des Antrags an einer Informationsveranstaltung des Förderers für die richtige Handhabung der erforderlichen Berichte teilnehmen. Teilweise habe ich Kontakte in die Datenbank der Organisation eingetragen oder Emails verfasst. Als Teil eines Projekts im Bereich Zensur hat MARCH eine „Know your rights“ Broschüre erstellt, die Informationen über die staatliche Zensur und ihre möglichen Folgen sowie eine Beratungshotline für Betroffene anbietet. Die Gründe für Zensur im Libanon lassen sich etwa in die folgenden Bereiche einteilen: Beleidigung einer der offiziell anerkannten Religionen, heikle politische Themen (Israel, Bürgerkrieg,...), LGBT und andere „unmoralische“ Inhalte, Beleidigung des Staatsoberhaupts oder staatlichen Symbolen. Ein Online Museum mit einer Auflistung aller vergangenen Zensuren soll es ermöglichen, das oft undurchsichtige Thema transparent und öffentlich zu machen. In diesem Zusammenhang werden kurze Berichte erstellt, von denen ich eines zum Thema LGBT und eines zur Beleidigung von Staatsoberhäuptern - vor seiner endgültigen Überarbeitung - selber verfasst habe. Dabei habe ich selber recherchiert, welche Fälle es jeweils 2016 im Libanon gab und einen kurzen Vergleich mit ähnlichen Fällen in Deutschland und Frankreich dargestellt. Hier konnte ich vielleicht am stärksten meine während des Studiums erworbenen Fähigkeiten einbringen, indem ich selbstständig recherchiert, strukturiert und geschrieben habe. Ähnliche Aufgaben fielen etwa an, wenn Dokumente über die Erfolge und Leistungen der Projekte zu aktualisieren oder umzuschreiben waren. In einem anderen Projekt schafft MARCH Bewusstsein für das Problem der Staatenlosigkeit von Libanesen, die von ihren Eltern nicht registriert wurden, was Teile der ohnehin schon benachteiligten Bevölkerung weiter marginalisiert und unter anderem die Wahlberechtigung ausschließt. In einer Kampagne wurden im ganzen Land in Krankenhäusern und bei Treffen mit Bürgermeistern Informationsbroschüren verteilt und die Anwesenden über das Problem informiert und beraten. Einige dieser Besuche konnte ich begleiten, wegen meiner mangelnden Arabischkenntnisse konnte ich dabei lediglich beim Aufstellen der Roll-Ups helfen und Fotos machen. Ein derzeitiges Hauptprojekt in Tripoli nutzte als Methode der Konfliktlösung künstlerische und schauspielerische Fähigkeiten von Jugendlichen genutzt, die wegen eines lokalen Konflikts zwischen Sunniten und Schiiten in diesem Spannungsverhältnis aufgewachsen sind oder daran teilgenommen haben. Dieses ursprüngliche Theaterprojekt wird heute als Café und Treffpunkt der Jugendlichen weitergeführt und das gesamte Konzept nun auch in anderen konfliktbeladenen Gebieten angewendet. Der Arbeitsalltag hatte aufgrund der wechselnden Aufgaben keine feste Routine, auch die Arbeitszeiten konnten deswegen variieren. Einige Projekte waren nicht vor Ort sondern in Tripoli oder in den Vororten Beiruts, daher waren nicht immer alle Mitarbeiter im Büro anwesend. Die Arbeit im Team war sehr kollegial, auch wenn es natürlicherweise während der Arbeitsbewältigung auch immer mal zu Spannungen kommt. Für mich als Praktikantin war eine der Projektkoordinatorinnen zuständig, die jederzeit für mich da war und die mir die meisten Aufgaben zuteilte. Auch die anderen Kollegen waren für mich ansprechbar, hilfsbereit und ich konnte schon bald ein gutes Verhältnis zu den meisten von ihnen aufbauen. Insgesamt habe ich sehr gerne bei MARCH gearbeitet, die Struktur und Abläufe der Organisation kennengelernt und mein Wissen über ihre Hauptanliegen der freien Meinungsäußerung, Stärkung von Frauenrechten und Konfliktlösung speziell im Libanon vertieft. Auch abgesehen von meiner Arbeit bei MARCH hatte ich eine gute Zeit im Libanon, den ich zum ersten Mal besucht habe. Ich habe mir schon von Deutschland aus ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft gesucht, das in Laufnähe zu meiner Arbeitsstelle war, weil ich nicht abhängig von öffentlichen Verkehrsmitteln sein wollte. Ich habe mich relativ schnell eingelebt und mich an einige libanesische Besonderheiten des Alltags gewöhnt. Die sehenswerte Kultur- und Feierszene in Beirut erschließt sich von alleine. Vor Ort bleibt es letztendlich nicht aus, dass man Gebiete besucht, die nach - verständlicherweise - sehr vorsichtigen Reisewarnungen des deutschen Auswärtigen Amts besser nicht bereist werden sollten. Besonders sehenswert war für mich Tripoli, wo auch das derzeitige Hauptprojekt von MARCH läuft sowie die Ruinen in Baalbek. Um dem Lärm der Stadt zu entkommen, gibt es zahlreiche wunderschöne Orte außerhalb oder in der Natur, ob am Meer oder in den Bergen. *** Die von uns wiedergegebenen Berichte von durch uns vermittelte Praktikant/innen spiegeln nicht notwendigerweise die Sichtweise von 14km e.V. oder unseren Partnern wider.
Begegnungen ermöglichen, wo der Konflikt spaltet
Praktikumsbericht von Pauline bei Wi'am in Bethlehem
Das Büro von Wi’Am befindet sich in einem großen, hellen Steinhaus mit vielen Treppen und kühlen Zimmern. Im großen Garten dahinter wachsen Zitronenbäume, Minze und Thymian. Es gibt einen Kinderspielplatz und gepflasterte Plätze mit Überdachung, wenn es im Sommer heiß wird. Es ist viel Platz für Versammlungen, Kinder, Familien und Gäste. Schaut man sich um, ist das nicht selbstverständlich. Rechts grenzt der Garten an die Mauer, hinten läuft er auf das 1948 errichtete Flüchtlingscamp Aida zu, wo es oft zu Zusammenstößen zwischen israelischen Soldaten und Anwohnern kommt. Vom Checkpoint 300, der Ostjerusalem von Bethlehem und Israel von Palästina trennt, liegt Wi’Am nur 10 Minuten entfernt. Drei Monate lang nahm ich als Praktikantin in diesem spannungsreichen Kontext an der Arbeit von Wi’am teil. Wi’Am ist einerseits eine NGO, die sich demokratischen Grundwerten und Menschenrechten verschreibt. Sie bietet politische Bildung, Workshops und Treffen in Bethlehem und vielen anderen Städten in Palästina an. Andererseits ist es ein Gemeindezentrum, in dem Beziehungen heilen sollen. Als Treffpunkt und Anlaufstelle für Kinder, Jugendliche und Frauen an einem Ort, wo Beziehungen stark vom langanhaltenden Konflikt, wirtschaftlichen Problemen und traumatischen Erinnerungen belastet werden, ist Wi’Am tief in der Gemeinde verwurzelt. Sulha, eine traditionelle arabische Form der Mediation, bildet den Kernpunkt der Beziehungsarbeit. Wi’Am praktizieren sie in allen möglichen Konflikten, vor allem innerhalb und zwischen Familien. Da diese Arbeit im Privaten stattfindet, konnte ich leider nicht daran teilnehmen. Dafür war ich bei Jugendtreffen dabei, die alle zwei Wochen stattfinden, und bei der Weihnachtsfeier für die Kinder. Neben lokalen und familiären Beziehungen engagiert sich Wi’Am für internationale Begegnungen. Nach Palästina zu reisen ist mit Ängsten, Vorurteilen und realen Einschränkungen, erschwert. In dieser isolierten Situation ist es von großer Wichtigkeit, sich zu vernetzen. Wi’am sind in Kontakt mit internationalen NGOs, Universitäten und Kirchen. In meiner Zeit als Praktikantin besuchten uns verschiedene Gruppen: Studenten, Kirchengruppen und manchmal Touristen, die auf der Suche nach Banksy-Graffitis bei uns hineinstolperten. Dabei ging es darum, mit Vorträgen und Dialogrunden aus der palästinensischen Perspektive zu berichten. Die Mitarbeiter legen Karten, Statistiken und Fakten vor, informieren zu Themen wie der Wasserversorgung, Gebietsverteilung, und der Einschränkung der Bewegungsfreiheit. Sie erzählen aber auch persönliche Geschichten, von Verlust, Angst und Hoffnungslosigkeit. Zusätzlich machen Touren durch das Umland die alltäglichen Einschränkungen für die palästinensische Bevölkerung begreifbar. Ich hatte die Möglichkeit, den Tourguide Usama auf das Weingut Cremisan und nach Hebron zu begleiten. Darüber hinaus arbeitet Wi’Am mit anderen, vor allem kirchlichen NGOs in Palästina und Israel zusammen. Ich konnte in Jerusalem an einer Veranstaltung von EAPPI teilnehmen, einer kirchlichen Initiative, in der internationale Freiwillige als Begleiter und Beobachter in palästinensischen Orten arbeiten. Ein weiterer Fokus ist der Einsatz für Frauenrechte. In diesem Rahmen war es spannend für mich, einen Workshop in Dura zum Thema Häusliche Gewalt besuchen. In der konservativen Gegend um Hebron kann es heikel sein, derartige sensible Themen anzusprechen. Umso spannender war es zu sehen, wie die rund dreißig - weiblichen und männlichen - Teilnehmenden offen diskutierten und formulierten, welche Veränderungen sie sich wünschen. Derartige Workshops bieten einen Raum, Geschlechterrollen zu diskutieren, wo das sonst nicht möglich ist. Als Praktikantin schrieb ich Texte für die Website, übersetzte die Broschüre von Wi’Am und half dabei, Gäste zu empfangen und Workshops vorzubereiten. Zusätzlich war ich (auf eine Idee des Leiters von Wi’Am) mit meiner Forschung über Salafismus in Deutschland/Europa beschäftigt. In einer abschließenden Präsentation stellte ich meine Ergebnisse vor und es entstand eine lebhafte Diskussion. Tatsächlich bestand meine Zeit aber hauptsächlich darin, in den Veranstaltungen und Gesprächen mit Gästen und Mitarbeitern zuzuhören und zu lernen. Grundsätzlich war ich in meiner Zeiteinteilung frei, und die Planung funktionierte flexibel. Leider fiel es mir schwer, mich in dem Maße in Arbeitsabläufe einzubringen, wie ich es mir gewünscht hätte. Das lag teilweise daran, dass es oft keine definierten Aufgaben oder Ziele für Praktikanten gab, möglicherweise aber auch daran, dass das Arbeitsleben anders funktioniert, als ich es ansonsten gewohnt bin. Bei der Arbeit knüpfte ich schnell Kontakte zu den Mitarbeitern. Wir aßen oft zusammen zu Mittag, und sie nahmen sich Zeit für Tee und persönliche Gespräche. Da ich in einem Wohnkomplex mit der Familie von Zoughbi (Wi’Ams Leiter) wohnte, fand ich schnell Anschluss an Leute aus Bethlehem und Freiwillige aus aller Welt. Die Familie hieß mich herzlich willkommen und ich lernte viele Menschen bei Spieleabenden, gemeinsamen Ausflügen oder zum Mittagessen kennen. In meiner freien Zeit ergänzte ich meine Arabischkenntnisse mit palästinensischem Dialektunterricht. Besonders aufregend war es für mich, einige von den uralten Städten in der Nähe zu entdecken. Ich fuhr oft nach Jerusalem und machte Ausflüge nach Hebron, Jericho, Haifa, Akko und Tel Aviv. Da die Entfernungen relativ gering sind, ging das trotz Checkpoints recht schnell. Besonders die Altstädte faszinierten mich: die winzigen, krummen Gassen, die herumstreunenden Katzen und die eng aneinandergeklebten Geschäfte und vielen Düfte… Doch diese Schönheit wurde immer wieder gebrochen, wenn ich an gesperrten Straßen kam oder in Soldaten mit Maschinengewehren hineinlief. Insgesamt war es sehr erhellend für mich, die politische Situation so direkt zu erfahren. Zusammen mit den vielen Informationen, die ich bei der Arbeit lernte, und den persönlichen Geschichten, die sich nach und nach in Gesprächen mit Bekannten und Kollegen entfalteten, entstand für mich ein klares Bild von einer verfahrenen, scheinbar unlösbaren Situation. Ich empfehle das Praktikum als eine bereichernde Erfahrung, wenn man mehr über Palästina, die Situation und Menschen erfahren möchte. *** Die von uns wiedergegebenen Berichte von durch uns vermittelte Praktikant/innen spiegeln nicht notwendigerweise die Sichtweise von 14km e.V. oder unseren Partnern wider.
Frauen in die tunesische Kommunalpolitik
Zwischenbericht von Louisa beim Arab Institute for Democracy in Tunis
Die Zeit verging seit meiner Ankunft in Tunis wie im Fluge. So ist nun schon über die Hälfte meiner Praktikumszeit beim Arab Institute for Democracy in Tunis vergangen. Ich kam etwa eine Woche vor meinem ersten Arbeitstag in Tunis an und verbrachte diese Zeit bei einer sympathischen tunesischen Couchsurferin, da ich zu diesem Zeitpunkt noch auf Zimmersuche war. Die Entscheidung, ohne vorher ein Zimmer zu buchen nach Tunis zu kommen und zunächst zu „couchsurfen“ habe ich im Nachhinein nicht bereut, da ich eine wunderbare Woche mit der Couchsurferin verbrachte, die mich herzlich empfing und mir zusammen mit ihrem Freund ihre Lieblingsorte in Tunis zeigte. Gleichzeitig fand ich ohne größere Schwierigkeiten innerhalb einer Woche ein möbliertes WG-Zimmer in einer Wohnung im Stadtzentrum, die ich nun mit drei sehr netten tunesischen Studentinnen teile. Diese Wohnung hat insbesondere den Vorteil, dass sie in ca. 25 Minuten fußläufiger Entfernung zum Büro des AID liegt. Da öffentliche Verkehrsmittel in Tunis nicht immer zuverlässig sind, kann ich nur empfehlen nicht allzu weit vom Arbeitsplatz entfernt zu wohnen, insbesondere wenn dieser im Stadtzentrum liegt. Das AID ist eine kleine tunesische NGO, die zwar viele Mitglieder und Unterstützer*innen hat, die jedoch im Alltag nicht im Büro anwesend sind. Hier sind meistens 1-2 der Programm-manager*innen anzutreffen, wie zum Beispiel meine Chefin Emna. Ihre Arbeit besteht hauptsächlich in der Vorbereitung und Durchführung von Workshops und Konferenzen, die sich mit Themen wie demokratischer Partizipation und „Local Governance“ befassen. Hier sollen insbesondere junge Menschen über ihre Rechte und Möglichkeiten der politischen Teilhabe informiert werden. Während in Tunesien in der Vergangenheit sehr progressive Frauenquoten für Wahllisten eingeführt wurden, sind Frauen zurzeit leider insbesondere in der Kommunalpolitik noch stark unterrepräsentiert. Daher entstand die Idee, eine Studie zu den „Möglichkeiten und Hindernissen des Empowerments von Frauen in der Local Governance“ durchzuführen, bei der ich Emna nun assistiere. Das Thema ist gerade zum jetzigen Zeitpunkt besonders relevant, da im kommenden Jahr die Kommunalwahlen anstehen, deren Datum nun schon mehrmals verschoben wurde und die nach den Parlaments- und den Präsidentschaftswahlen (zumindest auf formaler Ebene) den letzten Schritt des demokratischen Transitionsprozesses darstellen. Das Thema ist sehr spannend, wobei mir oft selbst überlassen ist wie ich meine Zeit im Büro gestalte und strukturiere. Es ist also viel Selbstständigkeit gefragt und ich verbringe viel Zeit mit Hintergrundrecherchen zu möglichen Interviewpartnern, zum historischen und politischen Kontext Tunesiens sowie zu tagespolitischen Ereignissen. Mir bietet sich hier außerdem eine gute Gelegenheit, mich im Durchführen und Transkribieren von Interviews zu üben, wobei ich gleichzeitig meine Französischkenntnisse auffrische. Des Weiteren habe ich die Gelegenheit, einen Abendkurs in Arabisch am hiesigen Bourguiba-Institut, der staatlichen Sprachschule, zu belegen. In diesem Sinne, kann ein solches Praktikum meiner Meinung nach sehr einsichtsreich sein und stellt eine gute Gelegenheit dar, sich in die Geschichte und aktuellen Geschehnisse in Tunesien hinein zu vertiefen - allerdings unter der Voraussetzung, dass die*der Praktikant*in eigene Fragen an die aktuelle politische und gesellschaftliche Situation und viel Selbstständigkeit mitbringt. *** Die von uns wiedergegebenen Berichte von durch uns vermittelte Praktikant/innen spiegeln nicht notwendigerweise die Sichtweise von 14km e.V. oder unseren Partnern wider.