Filme aus postkolonialistischer Perspektive

Film und Serien gehören zu den dominierenden Medienquellen und haben mit ihren Inhalten und Darstellungen einen signifikanten Einfluss auf Einstellungen und Überzeugungen der Zuschauer*innen. Das heißt, es ist ein direkter Zusammenhang zwischen Mediengestaltung und rassistischen sowie orientalistischen Einstellungen gegeben. Die Darstellung von arabischen Personen und BIPoC in den Medien entspricht oft dem Prinzip des Othering, das in der postkolonialen Theorie beschrieben wird. Dabei wird permanent die Grenze zwischen dem Wir und den Anderen aufgezeigt, Unterschiede werden herausgestellt und Gemeinsamkeiten und Ähnlichkeiten ausgeklammert. Das resultiert häufig in einer stereotypen Darstellung und der Verinnerlichung von Stereotypen.

Grundsätzlich können dabei drei Methoden unterschieden werden:

1 | Mystifizierung: durch den Film werden bestehende Mythen verstärkt

2 | Markierung: Unterschiede zwischen Schwarzen und Weißen Personen werden hervorgehoben, die Abgrenzung zwischen beiden verstärkt

3 | Narrative Auslassung: innerhalb des Films werden BIPoC aus gesellschaftlichen Positionen ausgegrenzt, historische Ereignisse werden unterschlagen oder verändert

BIPoC und arabische Personen werden dementsprechend oft in stereotyper Darstellung gezeigt.

Doch wie sehen diese Stereotype aus?

So werden arabische Personen oft als Bösewichte und Terroristen, als frauenfeindlich oder rückständig dargestellt. Kamele in der Wüste sowie mysteriöse Bräuchen sind häufig genutzte Attribute. Auch werden oft arabische Personen mit Muslim*innen gleichgesetzt, obwohl nur zwölf Prozent der Muslim*innen weltweit Araber*innen sind. Frauen mit nahöstlicher Abstammung werden beispielsweise als Bauchtänzer*innen und Haremsdamen oder als stille Frauen in Schleier gehüllt dargestellt. Einerseits stellen Bauchtänzer*innen die arabische Kultur als exotisch und sexuell verfügbar dar. Andererseits hat sich der Schleier als ultimatives Symbol der Unterdrückung herausgestellt. 

Schwarze Personen werden oft als kriminell, exotisch oder ungebildet dargestellt. Oft werden vor allem Schwarze Männer als kriminell (Drogendealer, Zuhälter, Betrüger, etc.) präsentiert und damit das rassistische Stereotyp, dass Schwarze Männer gefährlich seien und von illegalen Aktivitäten angezogen würden, geschürt. Schwarze Frauen werden in Fernsehen und Film als aufmüpfig, wütend und aggressiv dargestellt. Schwarze Mütter werden stereotyp sehr konservativ als Übermutter mit Perücke und weiter Kleidung abgebildet.

Ob ein Film wirklich diese Stereotype aufgreift und BIPoC wie zuvor erläutert darstellt, bedarf einer individuellen Analyse. Im Rahmen des Projekts Mind your privilege haben wir den ursprünglichen Bechdel-Test abgewandelt. Dazu haben wir die vier Fragen des Tests wie folgt umformuliert: 

1 | Gibt es mindestens zwei Rollen, die von BIPoC oder arabischen Personen besetzt wurden?

2 | Reden Sie miteinander?

3 | Wie wird im Film über Weiße gesprochen? Werden BIPoC diskutiert und wenn ja, wie?

4 |Haben die Personen im Film Namen?

Mit diesen vier Fragen kann man auf eine einfache und vergleichbare Art und Weise überprüfen, ob Filme eher Stereotype verbreiten oder BIPoC-Darsteller*innen vielschichtig darstellen. 

Bei Betrachtung des Film-Markts wird deutlich: Mainstream film means white film.

Was kann man also tun, um mehr diverse Filme zu gucken? 

Man kann zum Beispiel explizit nach Filmen von arabischen oder BIPoC Regisseur*innen oder Filmen mit arabischen oder BIPoC Darsteller*innen suchen. Wem die Suche nach einzelnen Filmen und / oder Regisseur*innen zu aufwendig ist, der findet eine gute Auswahl bei verschiedenen Plattformen. 

Eine gute Alternative zu Netflix und Co. ist zum Beispiel Mec film (Startseite: mec film). 

Mec film wurde 2002 gegründet und ist in erster Linie ein Filmverleiher, der ausschließlich Filme arabischer Regisseure an Kinos, Institutionen, Verbände, Bibliotheken und andere Institutionen verkauft. Im Laufe der Jahre hat sich ein umfassender Katalog entwickelt, der Spielfilme ebenso wie Dokumentar- und Kurzfilme umfasst. Im mec filmshop können fast alle Filme aus dem Katalog für den privaten Gebrauch erworben werden.

Die angebotenen Filme zeigen die arabische Welt aus einer Innenperspektive, die in der Region entstanden sind und ermöglichen so eine andere Perspektive auf die arabische Welt, abseits der stereotypen Darstellungen arabischer Menschen in klassischen Hollywoodfilmen. Um die Filme online zu sehen, kann man den mec-film-Kanal auf Sooner nutzen: https://sooner.de/channels/label-mec-film/ 

Des Weiteren bietet Shasha Movies eine unabhängige Streaming-Plattform für Filme aus Südwestasien und Nordafrika, die einem weltweiten Publikum zugänglich sind. Es besteht die Möglichkeit, Zuschauer weltweit zu erreichen, aber auch Zuschauern aus der Region den Zugang zu ermöglichen, die ansonsten keine Möglichkeit hätten, die Filme zu sehen. Jeden Monat werden 20 neue Filme ausgewählt, die in ihrer Originalsprache mit englischen Untertiteln gestreamt werden können.

Auch bei uns auf der Website werdet ihr fündig. In unserer Film-Datenbank (14km Film-Datenbank) geben wir einen Überblick über unserer Einschätzung nach gelungene Filme sortiert nach Ländern oder Themen. 

The Bleaching Syndrome

Im Rahmen des Projektes Mind your privilege haben wir uns entschieden, den Film The Bleaching Syndrome von Eiman Mirghani näher vorzustellen. 

Eiman Mirghani ist eine 29-jährige sudanesisch-ägyptische Filmemacherin, die in Doha (Katar) aufgewachsen ist. Nach ihrem BA in Media & Film Studies an der University of Nottingham im Jahr 2015 begann Eiman in Doha (Katar) zu arbeiten. Ihr Regiedebüt im Jahr 2017 war der Kurzfilm Is That All There Is?, ein Neo-Noir-Krimi, der auf verschiedenen Festivals weltweit Premiere feierte. Eimans zweiter Kurzfilm The Bleaching Syndrome wurde 2018 im Rahmen des jährlichen Documentary Lab des Doha Film Institute produziert, das vom weltbekannten kambodschanischen Dokumentarfilmer Rithy Panh geleitet wurde.

Die Leute beginnen endlich zu erkennen und zuzugeben, dass Rassismus und Kolorismus nicht nur ein westliches Problem sind. Es ist ein globales Problem.

The Bleaching Syndrome ist Ausdruck für einen Zustand, bei dem ein Individuum einer Minderheitsgruppe versucht, sich der dominanten, weißen Rasse zu assimilieren, indem es seine persönlichen Eigenschaften – physische oder soziale – ändert, um dazu zu gehören.

Nach einem gescheiterten Versuch, einen Dokumentarfilm über eine sudanesische Frau zu drehen, die ihre Haut aufhellt, richtet die Filmemacherin Eiman Mirghani die Kamera auf sich selbst, um ihre eigene Beziehung zu ihrer Hautfarbe zu erforschen und herauszufinden, wie sich diese auf ihr Leben als junge afro-arabische Frau im Mittleren Osten auswirkt. Sie sucht nach Antworten auf ihr lebenslanges Gefühl der Wertlosigkeit und Unterrepräsentation in einer Welt, die diskret, aber zutiefst intolerant ist. Am 23.10.2021 wurde der Film im Rahmen eines Film- und Diskussionsabends im Oyoun (Lucy-Lameck Str 32, 12049 Berlin) vorgestellt. Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben aufgrund der Covid-19-Pandemie hatten wir die Möglichkeit, den Film einem kleinen interessierten Publikum zu zeigen.

Im Anschluss an die Vorführung des Filmes haben wir mit den Expertinnen Amatu Ulrich und Viola Shafik diskutiert über Identität, Rassismus und der Frage, was getan werden muss, damit sich die Gesellschaft verändert. 

Wir möchten uns hiermit nochmals bei den beiden Expertinnen für die sehr persönliche Diskussion bedanken. Ebenfalls möchten wir uns beim Oyoun für die Bereitstellung der Räume sowie beim Publikum fürs Erscheinen und die spannenden Fragen bedanken. 

Wollt ihr weitere Infos rund um das Thema Film und Fernsehen im postkolonialen Zusammenhang? Dann besucht doch unseren Instagram-Kanal: 14,4km e.V. (@14km_theshortestdistance) • Instagram-Fotos und -Videos

Unter unseren Posts findet ihr nähere Informationen und die dazugehörigen Stories sind im Highlight abgespeichert.

Projekt: Mind your privilege

Gefördert durch:  

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